Ungewöhnliche Koalition

Wie LINKE und CDU in Bad Segeberg gemeinsam Sozialpolitik machen

  • Marian Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch das gibt es: Linke und CDU ziehen sozialpolitisch an einem Strang, wenn es um Mietzuschüsse für Hartz-IV-Bezieher geht.

Die bemerkenswerte Geschichte trug sich Anfang Mai im Kreistag von Bad Segeberg in Schleswig-Holstein zu. Kurz davor hatte die Linksfraktion in Kreistag gegen die Absenkung der Mietobergrenzen mobil gemacht. Zunächst allein, dann bekam sie Unterstützung von der CDU, auf deren Vorschlag schließlich Bestandschutz für alle Betroffenen und die Erarbeitung einer neuen Mietkosten-Richtlinie sowie die Einrichtung eines runden Tisches beschlossen wurde.

LINKE-Fraktionschef Heinz-Michael Kittler findet nun freundliche Worte für die »verantwortungsvollen Sozialpolitiker aus CDU und Grünen«. Die Debatte sei aber noch nicht zu Ende, da er der Kreisverwaltung vorwirft, die Mietobergrenzen mit Hilfe eines Gutachtens manipuliert zu haben. An der Spitze der Kreisverwaltung steht mit der Landrätin Jutta Hartwieg eine SPD-Politikerin. Sie wollte die Mietzuschüsse um etwa 2,5 Millionen Euro jährlich zulasten von Hartz-IV-Familien kürzen. So sollte der Zuschuss für eine vierköpfige Bedarfsgemeinschaft um mehr als 80 Euro auf 581 Euro absinken.

Die meisten Betroffenen wohnen in Norderstedt im Hamburger Speckgürtel, wo eine Familie für dieses Geld keine anständige Wohnung mehr finden kann. Und Norderstedt, die größte Stadt des Kreises, wird von einem Bürgermeister mit CDU-Parteibuch regiert. Zahlreiche Betroffene hatten bereits Briefe vom Jobcenter erhalten, in denen sie aufgefordert wurden, sich innerhalb von zwölf Monaten eine neue Wohnung zu suchen. Außerdem müssten sie mindestens acht »Bemühungen« monatlich nachweisen, eine neue Wohnung zu finden.

Für die LINKE ist das eindeutige »Drohbriefe«. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Edda Lessing meinte daraufhin, dass die LINKE aus einem »rein populistischen Motiv« handele. Kittler hielt auf der Kreistagssitzung dagegen: Hier würden Menschen vom Amt gedrängt, »ihr Heim aufzugeben«. Das sei natürlich eine Bedrohung, weil dagegen »weder Klage noch Widerspruch möglich« seien. Deswegen müssten diese Schreiben sofort zurückgezogen werden.

Bei der CDU, mit 27 Mandaten stärkste Fraktion des Kreistages, verfolgte man den politischen Schlagabtausch zwischen der LINKEN und der SPD interessiert. Schließlich ergriff die Fraktion Initiative für den Beschluss, der Bestandsschutz und ein Moratorium für die Absenkung der Mietobergrenzen vorsieht. Damit sei man »hochzufrieden«, sagt Heinz-Michael Kittler. Der eigentliche Verursacher des Problems sitze aber in Berlin, betont der Fraktionschef.

Der Kreis muss Mietkosten in Höhe von 36 Millionen Euro jährlich leisten. »Die Bundesbeteiligung an diesen Kosten ist viel zu niedrig«, kritisiert Kittler. Seit 2011 könnten die Landkreise und andere Träger der Sozialhilfe eigene Satzungen für Mietobergrenzen erlassen, wenn die Länder sie dazu ermächtigen. Jetzt versuche man mit Hilfe von »wissenschaftlichen« Gutachten die Kosten zu drücken. Dabei werde, so Kittler, stets übersehen, dass sich am Problem des bezahlbaren Wohnraums dadurch gar nichts ändert.


Bad Segeberg

Das beinahe 800 Jahre alte Bad Segeberg ist Kreisstadt des Kreises Segeberg und gehört mit diesem zur Metropolregion Hamburg. Der Kreis grenzt unmittelbar an die Millionenstadt und hat rund 260 000 Einwohner.

Im Kreistag bildet die CDU die mit 27 Mitgliedern stärkste Fraktion. In großem Abstand folgt die SPD mit 17 Sitzen. Grüne und FDP kamen bei den letzten Wahlen im Jahre 2008 auf jeweils 7 Sitze. Die LINKE entsendet 4 Abgeordnete. (nd)

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.