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Das Entgelt ist kein Geheimnis

Darf der Arbeitnehmer zum Schweigen verpflichtet werden?

  • Lesedauer: 2 Min.
Immer wieder verlangen Vorgesetzte von Beschäftigten, über die Höhe ihres Gehalts Stillschweigen zu bewahren. Ob Chefs einen Arbeitnehmer tatsächlich per Vertrag zum Schweigen verdonnern können, erklärt TJARK MENSSEN, Jurist bei der DGB Rechtsschutz GmbH.

Die Einkommensverhältnisse sind in Deutschland seit jeher ein Tabuthema. Über Geld spricht man hierzulande nicht. Ja, es ist geradezu peinlich, offen über das Gehalt zu reden. Entweder um bei anderen keinen Neid zu erzeugen, oder um sich nicht die Blöße geben zu müssen, dass die gleiche Leistung viel weniger wert ist als die der Kollegen.

Viele Chefs nutzen diese Peinlichkeit auch aus. Sie machen aus Lohn- und Gehaltsverhandlungen ein Riesengeheimnis. Gerne wird dabei nicht nur die Anwendung des Tarifvertrages, sondern auch eine übertarifliche Bezahlung vereinbart, um bei dem Beschäftigten den Eindruck zu erwecken: Sie sind in unserem Unternehmen doch etwas ganz Besonderes.

Beschäftigte glauben sogar, es sei verboten, mit den Kollegen über das Bruttoeinkommen zu sprechen. Darf der Chef das Reden über Gehalt per Vertrag verbieten? Nein. Denn Tarifgehälter sind kein Geheimnis. Darum darf niemand zum Stillschweigen verdonnert werden.

Gerade Tarifverträge schaffen ein transparentes Einkommensgefüge. Sie helfen, die Schweigemauer zu durchbrechen. Auch sollte sich jeder in einem organisierten Betrieb zu seiner Gewerkschaftsmitgliedschaft bekennen. Nachweislich verbessert diese Offenheit die Einkommensgerechtigkeit auch und insbesondere für Frauen.

Selbst wenn kein Tarifvertrag im Betrieb gilt, sind vorformulierte vertragliche Schweigeklauseln durch den Arbeitgeber unwirksam. Zwar behauptet dieser gern, damit den Betriebsfrieden wahren zu wollen. Jedoch gehört es zur Koalitionsfreiheit, über das Einkommen zu reden. Sonst könnte kein Arbeitnehmer seine Gewerkschaft informieren, wie hoch sein Einkommen ist.

Zudem ließe sich nicht feststellen, welches Gehalt üblicherweise für eine Tätigkeit gezahlt wird. Um eine Forderung begründen zu können, müssen sich Beschäftigte über die Höhe ihrer Verdienste austauschen. Nur so lässt sich feststellen, ob der Chef den Gleichbehandlungsgrundsatz beim Entgelt einhält.

Klauseln, die es verbieten, über das Gehalt zu reden, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen. Dem Arbeitgeber steht dem kein gleichwertiges schützenswertes Interesse gegenüber.

Dies gilt aber nur, wenn die Klausel im Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber vorformuliert wurde. Von einem solchen Verbot nicht erfasst ist, wenn Parteien in einem gerichtlichen Vergleich vereinbaren, über die Inhalte Stillschweigen zu bewahren.

Aus: metallzeitung 5/2012

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