Moskauer Debatte über Privatarmeen
Wladimir Putin lässt internationale Erfahrungen prüfen
Die Idee Mitrofonows, der zunächst für die ultranationalen Liberaldemokraten von Wladimir Schirinowski in der Duma saß und dann zur Mitte-Links-Partei »Gerechtes Russland« wechselte, stieß sogar allerhöchsten Ortes auf wohlwollendes Interesse. Er, so Präsident Wladimir Putin bei seiner letzten Rechenschaftslegung als Premierminister vor dem Parlament, stehe dem Vorhaben positiv gegenüber. Eine von ihm angeregte Arbeitsgruppe, die Erfahrungen anderer Länder analysieren und Vorschläge unterbreiten soll, nahm inzwischen ihre Tätigkeit auf.
Söldner-Armeen dienen in der Politik als »indirekte Instrumente« zur Durchsetzung von Interessen. Die ehemaligen Kolonialmächte setzten sie in den 1960er Jahren vor allem in Schwarzafrika ein. Auch die 1977 angenommenen Zusatzprotokolle der Genfer Konventionen zum Schutz von Kriegsopfern, die Söldner zu illegalen Kombattanten erklären, vermochten den Sumpf nicht trockenzulegen. Als nach dem Kalten Krieg in den NATO-Ländern wie in der ehemaligen Sowjetunion viele Berufssoldaten den Dienst quittieren mussten, wurden sie von privaten Sicherheitsfirmen angeheuert, die vor allem nach dem Einmarsch in Afghanistan 2001 und in Irak 2003 immer wichtiger wurden.
Russland sieht für eine Söldner-Armee derzeit vor allem zwei Geschäftsfelder: Energiesicherung und die im Entstehen begriffene Euroasiatische Gemeinschaft, die zu Putins außenpolitischen Prioritäten gehört. Dazu müsse Moskau jedoch vor allem seine Positionen in Zentralasien und im Kaukasus - auch in den international nicht anerkannten Republiken Abchasien und Südossetien, die Georgien weiter als Teil seines Staatsgebiets betrachtet - festigen, schreibt die dem Außenministerium nahe stehenden Nachrichtenagentur RIA Nowosti.
Denkbar wäre aus ihrer Sicht auch ein Einsatz in Afghanistan nach dem geplanten Abzug der NATO 2014. Moskau geht - zu Recht - davon aus, dass die schwache Zentralregierung in Kabul nicht adäquat auf Sicherheitsbedrohungen reagieren kann. Es fürchtet wegen der durchlässigen Grenzen der zentralasiatischen Staaten einen neuen Boom im Drogen- und Waffenschmuggel in der Region sowie das Vordringen islamischer Extremisten in die muslimischen Regionen Russlands im Nordkaukasus und an der Wolga. Eine Intervention regulärer Streitkräfte aber kommt wegen der leidvollen historischen Erfahrung der Sowjetunion am Hindukusch, und weil massiver Widerstand der Bevölkerung droht, nicht in Frage. Das Für und Wider von Privatarmeen, hieß es in der neuen Arbeitsgruppe, müsse jedoch sorgfältig abgewogen werden. Die Strategen treibt neben Bedenken wegen des völkerrechtlich ungeklärten Status von Söldner-Armeen auch die Angst um, ehemalige Offiziere, die keine Beamten mehr sind, könnten der Kontrolle des Staates entgleiten.
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