Bis zu 60 Millionen grüne Jobs

Die UN-Arbeitsorganisation ILO begann ihre 101. Jahrestagung

  • Marc Engelhardt, Genf
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Internationale Arbeitsorganisation und das UN-Umweltprogramm fordern ein Umsteuern hin zu einer grünen Wirtschaft. Netto könnten dadurch bis zu 60 Millionen Jobs geschaffen werden, die meisten davon in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Bosco Acope ist ein einfacher Mann. Schon als Kind musste der Bauer auf der Farm seiner Eltern im Norden Ugandas arbeiten, vor und nach dem Volksschulunterricht. Als seine Eltern starben, Acope war 14, übernahm er die Farm. Er heiratete und hat heute elf Kinder. Am Anfang, erinnert er sich, sei es schwer gewesen, die Familie über Wasser zu halten. Doch dann machte er als Biobauer sein Glück. »Ich habe organische Baumwolle und Bio-Sesam angebaut und verkauft, dadurch habe ich meinen Gewinn um mindestens die Hälfte gesteigert.« Das Geld, das Acope so verdiente, reichte, um seine Farm stetig zu vergrößern und alle seine Kinder zur Schule schicken zu können.

Darüber freuen sich nicht nur die Kinder. Auch für die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und das UN-Umweltprogramm UNEP gilt Bosco Acope als Vorbild. Denn er ist einer von mehreren Millionen, die schon jetzt den Wechsel von der »braunen« zur »grünen« Ökonomie geschafft haben. Zwischen 15 und 60 Millionen mehr Arbeitsplätze erwarten die beiden Organisationen in den kommenden zwei Jahrzehnten, wenn Länder und Unternehmen gleichermaßen auf eine ökologisch und sozial orientierte Wirtschaft setzen. »Das bisherige Entwicklungsmodell hat sich als uneffizient und nicht nachhaltig herausgestellt«, begründet ILO-Chef Juan Somavía seine Unterstützung für die Green Economy. »Das gilt nicht nur für die Umwelt, sondern auch für Wirtschaft und Gesellschaft.« Bosco Acopes Heimatland Uganda hat heute mehr Fläche unter biologischer Bewirtschaftung als irgend ein anderes afrikanisches Land. Mehr als 187 000 Biobauern erwirtschafteten 2011 über 18 Millionen Euro. Die Preisaufschläge für biologisch produzierte Produkte liegen den ILO-Experten zwischen 150 und 300 Prozent – Geld, das direkt den Produzenten zu Gute kommt. Gleichzeitig sei der Ausstoß an Treibhausgasen gegenüber der industriellen Landwirtschaft um 64 Prozent gesunken. Eine Erfolgsgeschichte.

Geht es nach ILO und UNEP, dann sollen nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch Industrie und Dienstleistungssektor »begrünt« werden: die Senkung des Energieverbrauchs, die Verlagerung der Produktion auf umweltfreundliche Produkte sowie mehr Ressourceneffizienz sind nur einige der Maßnahmen, die sie propagieren. Somavìa rechnet mit einer regelrechten Revolution des Arbeitsmarkts: »Die Hälfte der globalen Arbeitskräfte, mehr als anderthalb Milliarden Menschen, werden von der Transition zur grünen Ökonomie betroffen sein.« Dabei verschweigt Somavìa nicht, dass es auch Verlierer geben wird. »Es werden Arbeitsplätze wegfallen, auch wenn wir netto mit einem starken Zuwachs rechnen«, sagt er. »Es ist wichtig, dass wir von vornherein klarstellen, dass es nicht ausschließlich Gewinner gibt.« Gerade deshalb aber sei das Engagement der ILO so wichtig: »Wir haben die richtigen Werkzeuge, um einen Wandel wie diesen zu begleiten – sozialer Dialog und soziale Sicherheit sind auf dem Weg zu einer Grünen Ökonomie so wichtig wie nie.«

Ob die Weichen auf Regierungs- und Unternehmensebene tatsächlich im Sinne von Somavìa und UNEP-Exekutivdirektor Achim Steiner gestellt werden, wird sich zu einem guten Teil beim Nachhaltigkeitsgipfel entscheiden, der am 20. Juni in Rio de Janeiro beginnt. Bislang gibt es noch ein große Kluft vor allem zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Letztere befürchten etwa einen »grünen« Protektionismus. Ein Grund mehr für Steiner zu betonen, dass die Grüne Ökonomie gerade auch der Entwicklung dienen soll. »Alleine durch den Aufbau einer Recycling-Industrie könnten 15 bis 20 Millionen formalisierte Jobs in Entwicklungsländern geschaffen werden«, so Steiner. Er und Somavìa setzen auf eine enge Zusammenarbeit mit der Industrie, viele Änderungen müssten in den Unternehmen geschehen. »Aber es sind die Regierungen, die mit Gesetzen neue Märkte öffnen und fördern müssen«, betont Steiner. »Viele Unternehmen werden erst aktiv werden, wenn die entsprechenden Regulierungen in Kraft sind.« Wie schnell ohne solche Regulierungen der Traum von der grünen Ökonomie platzen kann, zeigt das Beispiel von Bosco Acope. Weil Ugandas Regierung trotz erbitterten Widerstands auf seinem Hof DDT sprühte, um die Malaria zu bekämpfen, hat der Bauer sein Bio-Label verloren und kämpft um seine Existenz.
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