Veränderungen gehen nicht per Anordnung

  • Udo Hemmerling
  • Lesedauer: 3 Min.
Udo Hemmerling ist stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes.
Udo Hemmerling ist stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes.

Eigentlicher Anlass für die Öffnung des Tierschutzgesetzes ist die Anpassung des Tierschutzgesetzes an europäisches Recht für Versuchstiere. Auch in der Charta von Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) stehen einige ganz konkrete Absichten, in Richtung Tierhaltung und Tierschutz aktiv zu werden.

Solange Tierschutz mit der wirtschaftlichen und der arbeitswirtschaftlichen Realität in den Betrieben vereinbar bleibt und dabei auf die Erfahrung und Verantwortung des Tierhalters gesetzt wird, sind wir dabei. Denken wir an die Generation unserer Großeltern. Damals wurden die Kühe sechs Wintermonate lang im Stall angebunden, das Futter auf dem Rücken in den Stall getragen und der Mist mit mühsamer Handarbeit wieder aus dem Stall befördert. Vor dem Hintergrund ist die moderne Tierhaltung eine riesige Errungenschaft für Tier und Mensch. Das darf niemand übersehen. Wir brauchen vor allem die Möglichkeit, neue modernere Ställe auch bauen zu können und genehmigt zu bekommen. Wenn es Verbesserungsmöglichkeiten gibt, sind wir dabei.

Im Deutschen Bauernverband (DBV) führen wir die Debatte über die Weiterentwicklung der Nutztierhaltung ganz konkret. Veränderungen gehen nicht per Anordnung von oben, sondern brauchen Zeit. So ist der Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration von Ferkeln grundsätzlich richtig. Der Gesetzesentwurf sieht 2017 als Ausstiegsdatum vor. Der DBV hatte bereits 2008 in der sogenannten Düsseldorfer Erklärung und 2010 in einer europäischen Erklärung den Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration aufgezeigt und dabei das Jahr 2018 angepeilt. Jetzt fürchte ich, dass ein haarspalterischer Streit um dieses Datum entsteht, dabei liegen die Herausforderungen anders. Denn die verschiedenen alternativen Verfahren müssen zum einen zu den unterschiedlichen Vermarktungsstrukturen - vom Landfleischer bis zum Discount - passen und dürfen zum anderen nicht neue Gesundheitsrisiken für die Tiere bedeuten. Zur Unterstützung dieser Veränderungen fordert der DBV eine umfassende Forschungs- und Innovationsstrategie für die Nutztierhaltung von der Bundesregierung.

Ein hoch emotionales Thema ist auch das angestrebte Verbot des Schenkelbrandes bei Pferden. Wir halten das für ein Kulturgut und Markenzeichen deutscher Pferdezucht. Die Olympiade in London steht vor der Tür. Die Welt wird auf die Pferde mit dem deutschen Brandzeichen schauen. Eine solche Identifikation kann ein elektronischer Speicher unter der Haut nie leisten. Im Übrigen ist das ersatzweise »Chippen« zur elektronischen Identifikation der Tiere auch ein Eingriff.

Unsere Tierhaltung wird sich auch in Zukunft den Ansprüchen des Marktes und den Wünschen der Verbraucher stellen. Der Fokus verlagert sich zunehmend zur Prozessqualität und damit auf die Art und Weise, wie die Tiere gehalten werden. Darauf müssen wir uns einstellen. Wichtig ist die Gesamtbetrachtung der verschiedenen Haltungsformen. Die aktuellen Vorfälle mit erhöhten PCB-Gehalten in Eiern aus der Freilandhaltung zeigen, dass es die ideale Haltungsform nur mit Vorteilen und ohne jegliche Nachteile nicht geben kann. Das politische Gezerre um die Legehennenhaltung der letzten Jahre hat gezeigt, dass ganz schnell Wettbewerbsnachteile für die deutschen Tierhalter entstehen können. Und ein Auswandern der deutschen Hühnerhaltung schadet ganz sicher auch dem Tierschutz, wenn die Tiere im Ausland zu schlechteren Bedingungen gehalten werden. Das darf nicht passieren. Wir leben in offenen Märkten, unsere Erzeugnisse müssen qualitativ und preislich am Weltmarkt bestehen können. Diesen inneren Widerspruch in der Tierschutzpolitik werden die Tierhalter auch in Zukunft anprangern.

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