EU-Geld nur für Leistung
Gesprächskreis Ländlicher Raum: Weniger Bürokratie und dafür mehr Lebensqualität durch EU-Agrarpolitik
Es geht um viel - um die Entwicklung des ländlichen Raums, der 91 Prozent des EU-Gebiets einnimmt und in dem 56 Prozent der Bevölkerung leben. Darum widmet sich die Arbeitsgemeinschaft Agrarpolitik und ländlicher Raum in der Linkspartei der kritischen Betrachtung der anstehenden EU-Kommissions-Vorschläge für 2014 bis 2020. Für diesen Zeitraum sind 297 Milliarden Euro für die landwirtschaftliche Produktion und 90 Milliarden Euro für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Umweltschutz vorgesehen.
Die Agrarpolitiker kommen letztlich zur Einschätzung, dass die Kommissionsvorschläge hinter den Erfordernissen einer zukunftsfähigen, sozialen, ökonomischen und ökologischen EU-Agrarpolitik zurückbleiben. Budgetkürzungen in diesem Bereich der Daseinsvorsorge lehnen sie ab. Agrarfonds dürften auch nicht als Mittel zur Haushaltsdisziplinierung eingesetzt werden. Dietmar Welz vom Forschungsunternehmen BonnEval hatte zudem zu bedenken gegeben, dass nur strategische Ziele bis 2020 vorlägen, aber keine konkreten Programme.
Generell geht es auch der Linkspartei darum, dass öffentliche Gelder vor allem bei Direktzahlungen nur für nachweisbare öffentliche Leistungen, gebunden an soziale und ökologische Kriterien, fließen sollen. Doch Direktzahlungen sind nach wie vor unerlässlich zur Einkommenssicherung. Die Kappung und Degression der Basisprämien lehnt man strikt ab, weil dadurch historisch gewachsene Agrarstrukturen in den neuen Bundesländern einseitig benachteiligt würden. Es sei denn, soziale Komponenten wie Anrechnung der Lohnkosten, Steuern und Sozialabgaben würden berücksichtigt. Denn es gehe vordringlich um mehr Arbeitsplätze in den Dörfern und nicht um die Erhöhung der Produktivität.
Ausdrücklich unterstützt die Linkspartei den Vorschlag, Direktbeihilfen ausschließlich »aktiven Landwirten« zu gewähren, nicht Konzernen, für die Boden eine »Kapitalförderanlage« ist. Im Sinne vielfältiger Wirtschaftsformen unterstützt man Regelungen für Kleinbetriebe und Junglandwirte. Ein Gedanke, den vor allem Holger Plückhahn (Bayern) einbrachte. Diese Regelungen aber sollten national ausgestaltet werden. Dafür seien Erzeugerzusammenschlüsse eine gute Möglichkeit.
Eine lebhafte Debatte entspann sich um das sogenannte Greening, jenen Kommissionsvorschlag, sieben Prozent der Ackerflächen als ökologische Vorrangfläche auszuweisen. Die Agrarwissenschaftlerin Erika Czwing sieht einen Widerspruch zur vorrangigen Aufgabe, erschwingliche und gesunde Nahrungsgüter zu erzeugen, angesichts der Tatsache, dass EU-Bürger dafür 30 Millionen Hektar Land in Entwicklungs- und Schwellenländern in Anspruch nehmen. Jegliche Form von Flächenstilllegung würde sich verbieten. Ein Mehr an Bürokratie befürchteten Praktiker wie Wolfgang März von der Agrargenossenschaft Uchtdorf (Kreis Stendal). Der Beschluss zum Thema bietet eine Alternative an: fünf Prozent als dauerhafte ökologische Vorrangfläche beziehungsweise zehn Prozent als ein- oder mehrjährige Fläche (einschließlich Feldgehölzen, Hecken, Touristenwege). Der Forderung nach weniger Bürokratie schließt man sich jedoch an.
Die Landwirtschaft und der ländliche Raum bedingen einander. Seine Förderung durch den europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums (ELER) ist eine der vordringlichsten Aufgaben der EU-Agrarpolitik, der sie nach Meinung der LINKEN jedoch nicht ausreichend nachkommt. »Reformversuche mit angezogener Handbremse und einem deutschen Spardiktat von 100 Milliarden für die EU-Finanzausstattung gehen zu Lasten der ELER-Förderung«, heißt es im Beschluss. Themen wie demografische Entwicklung, Lebensqualität sowie Daseinsvorsorge und ländliche Infrastruktur fänden wenig Beachtung.
Die Arbeitsgemeinschaft sieht deshalb weiteren Handlungsbedarf. Der Entwicklungsfonds ELER müsse finanziell besser ausgestattet werden. Das schließt eine höhere finanzielle EU-Beteiligung an Agrar- und Naturschutzmaßnahmen sowie u. a. für den Ökolandbau ein. Für die Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum seien Arbeitsplätze, die Mensch und Umwelt dienen, unabdingbar. Mit Regionalfonds oder -budgets solle den Menschen vor Ort die Möglichkeit gegeben werden, Fördermittel gezielt für eine bessere Lebensqualität im Sinne des Gemeinwohls einzusetzen, so Kirsten Tackmann, LINKEN-Agrarsprecherin im Bundestag.
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