Faule Autokonjunktur

  • Robert Kurz
  • Lesedauer: 3 Min.
»Eine auf Pump und Finanzblasen beruhende Scheinblüte.«
»Eine auf Pump und Finanzblasen beruhende Scheinblüte.«

Zwar frisst sich die europäische wie die US-Schuldenkrise munter voran, aber der Weltkonjunktur scheint das wenig anhaben zu können. Insbesondere die deutsche Exportindustrie wähnt sich im Dauerfrühling. Allen voran die Autokonzerne, die immer neue Rekordzahlen melden. Das beweist, dass die Autoproduktion weiterhin ein Schlüsselsektor des Kapitalismus ist. An der Branche lässt sich exemplarisch ablesen, wohin die ökonomische Reise geht. Sind also die optimistischen Prognosen berechtigt, die für das kommende Jahrzehnt einen realwirtschaftlichen Aufschwung ohne Ende sehen wollen?

Es lohnt sich, die Struktur des Autobooms genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Absatz in Europa scheint weiter zurückzugehen. Dafür ist der Export in die Schwellenländer, vor allem nach China, und in die USA geradezu explodiert. Wäre diese Konjunktur längerfristig tragfähig, müsste sie mit Klein- und Mittelklassewagen den Konsum der großen Bevölkerungsmasse beflügeln, während das teure Premiumsegment nur die Spitze auf breiter Basis bilden könnte. Aber es verhält sich genau umgekehrt. Treibsatz des vermeintlichen Autowunders sind die protzigen Luxuskarossen von Daimler, BMW oder Audi und die Sportwagen von Porsche.

In China wie in den USA geht die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinander. Das ist ein soziales und auch ein ökonomisches Problem: Wenn der Auto-Massenkonsum bei den unteren Einkommen weitgehend ausbleibt, ist das ein Zeichen für den fiebrigen Charakter der Luxuskonjunktur. Es handelt sich um eine auf Pump und Finanzblasen beruhende Scheinblüte.

Die zahlungskräftige neue Mittelklasse in China, deren Größe aufgrund der schieren Bevölkerungsmasse blendet, hat kein solides Fundament. Sie ist mit dem spekulativen Hochziehen von großenteils leerstehenden Wohnungs- und Bürogebäuden, Sportstadien und anderen Investitionsruinen verbunden, das von korrupten Parteikadern auf kommunaler und regionaler Ebene inszeniert wurde. Ihr Luxuskonsum ist kreditfinanziert oder mit irregulären Einkommen. Ganz ähnlich verhält es sich in den USA, wo die permanenten Finanzspritzen von Regierung und Notenbank nur bei einer Minderheit ankommen.

Es bedarf gar nicht des nächsten Finanzkrachs, um zu sehen, dass sich die globalen Premiumkonsumenten übernommen haben - auch im vielgelobten deutschen Wunderland: Die dicken Schlitten werden kaum noch in bar verkauft, sondern per Leasing. Man kann sie für einen vergleichsweise bescheiden anmutenden monatlichen Betrag erwerben. Dann wird die Luft der Finanzierung dünn, weil mancher schon am Limit des Einkommens angelangt ist.

Die PS-starken Renommierautos sind aber derart hochgerüstet, dass schnell Reparaturen anfallen. Was bei einem vor-elektronischen Kleinwagen noch relativ billig zu beheben war, fängt bei den Hochpreisautos mit 800 oder 1000 Euro erst an. Nicht nur in Deutschland sammeln sich in Autohäusern und Reparaturwerkstätten geleaste Prachtstücke an, weil ihre stolzen Nutzer die Reparatur (oder die nächste Rate) nicht bezahlen können. Ein kleiner Hinweis darauf, dass der Autoboom der Premiumklasse genauso faul sein könnte wie der Immobilienboom.

In der wöchentlichen nd-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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