Rassismus am Straßenrand

Angriff auf einen Taxifahrer beschäftigt Justiz in Göttingen

  • Kai Böhne
  • Lesedauer: 3 Min.
Puk Minicar ist ein in Belegschaftsbesitz befindliches Fuhrunternehmen in Göttingen. Viele Fahrer haben ausländische Wurzeln, sie sehen sich immer wieder mit Alltagsrassismus konfrontiert. In der vergangen Woche wurde einer von ihnen tätlich angegriffen.

Bereits in der vergangenen Woche wurde im niedersächsischen Göttingen ein Fahrer der Firma Puk Minicar GmbH rassistisch beleidigt und tätlich angegriffen. Puk Minicar ist ein Personenbeförderungsunternehmen mit innerbetrieblichen Selbstverwaltungsstrukturen. Der Minicar-Fahrer war am 29. Mai gegen Mittag zu einem Mehrfamilienhaus im Stadtteil Geismar gerufen worden. Dort angekommen, fragte der 49-Jährige einen am Straßenrand stehenden Mann, ob dieser den Wagen bestellt hätte. Der Passant reagierte aggressiv mit rassistischen Ausfällen.

Gegen den Kehlkopf

Der 21-jährige Passant habe den Fahrer bedroht, ihn gegen den Kehlkopf geschlagen, geschubst und gegen den Rücken geschlagen, berichtet Kai-Uwe Jung, einer von zwei Puk-Minicar-Geschäftsführern. Der Fahrer sei gestürzt und habe sich an der Hand verletzt. Er sei im Universitätsklinikum behandelt worden, die Hand sei eingegipst worden. Der Fahrer ist laut Jung krankgeschrieben und voraussichtlich mehrere Wochen arbeitsunfähig. »Aus Erfahrung weiß ich, dass unsere Fahrer sehr deeskalierend auf Beleidigungen reagieren«, erklärt Jung. »Der Angriff kam völlig überraschend.« Laut Jung will die Geschäftsführung des in Belegschaftsbesitz befindlichen Fuhrunternehmens ihren Fahrer dabei unterstützen, seine Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche anwaltlich geltend zu machen.

Mit der Vertretung der Interessen des verletzten Fahrers wurde der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam beauftragt. »Neben Schadens- und Schmerzensgeldansprüchen wird sich der Täter auch mit dem Strafgericht konfrontiert sehen. Außerdem werden wir zum Schutz des Fahrers einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz bei dem Amtsgericht Göttingen stellen. Hierdurch können die Wohnung und die Arbeitsstelle des Opfers geschützt werden«, erläutert Adam die ersten juristischen Schritte.

Die Personalien des Täters konnten laut Adam noch vor Ort durch die Polizei aufgenommen werden. Der Täter ist wohnungslos. Die Polizei hat ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung gegen den 21-jährigen Schläger eingeleitet.

Nach Verlassen der Kanzlei ist sein Mandant laut Sven Adam in der Innenstadt erneut auf den Peiniger gestoßen. Dieser habe seinen Mandanten »abermals beschimpft und bedroht«. Adam wird seinen Mandanten zivilrechtlich und als Nebenkläger im Strafverfahren vertreten.

»Wenn Taxifahrer ihren Beruf nicht mehr ausüben können ohne Angst vor rassistischer Gewalt, dann darf die Gesellschaft nicht wegsehen, sondern muss Courage zeigen«, fordert der integrationspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Göttinger Stadtrat, Mehmet Tugcu.

Diese Attacke ist leider nur die Spitze des Eisbergs, befürchtet Tugcu. »Die Darstellung der Puk-Minicar-Geschäftsführung, wonach sich die Fahrerinnen und Fahrer des betroffenen Taxiunternehmens immer wieder mit einem mehr oder weniger deutlich artikulierten Alltagsrassismus konfrontiert sehen, halte ich nach allem, was mir auch als Integrationsratsvorsitzender zu Ohren gekommen ist, für glaubwürdig. Solche Rassismen erleben die Betroffenen nicht nur am Taxistand, sondern auch in Schulen, in Kneipen, beim Fußball, nahezu überall.«

Hinschauen gefordert

»Wenn ein Taxifahrer aus rassistischen Motiven krankenhausreif geschlagen wird, dann darf solch ein Fall nicht nur die Justiz beschäftigen«, verlangt Mehmet Tugcu. »Wir brauchen eine Kultur des Hinschauens und des drüber Sprechens in der Öffentlichkeit, wenn wir dem Alltagsrassismus in den Köpfen langfristig wirksam begegnen wollen.«

Die Grüne Jugend Göttingen ergänzt in einer Stellungnahme: » Wir werden uns auch in Zukunft dafür einsetzen, dass Göttingen und Umgebung zu einem Ort werden, an dem antifaschistisches Engagement ein wertvolles Gut ist, um solche Angriffe unmöglich zu machen und erst recht nicht zu tolerieren.«

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