Die Chancen liegen im Euro. Und in SYRIZA.

  • Frank Puskarev
  • Lesedauer: 3 Min.
Frank Puskarev ist Büroleiter des Europa-Abgeordneten Thomas Händel und Referent für europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Frank Puskarev ist Büroleiter des Europa-Abgeordneten Thomas Händel und Referent für europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Es scheint absurd. Griechenland bekommt vom EFSF, der europäischen Rettungsschirm-Instanz, Milliardenkredite mit vier Prozent Zinsen, um sie gleich darauf an die Europäische Zentralbank zur Auslösung von Staatsanleihen weiter zu reichen. In Griechenland selbst verbleibt von dieser »Hilfe« nicht ein einziger Cent. Treibt man dies noch einige Zeit weiter, dann bleibt nicht mehr viel, mit dem Griechenland noch irgendetwas bezahlen könnte.

Die Mehrheit der Griechen spricht sich regelmäßig in Umfragen dafür aus, in der Eurozone bleiben zu wollen. Zurecht, möchte man meinen. Denn ein Austritt aus der Eurozone hätte dramatische Folgen, vor allem für Griechenland. Die letzten verbliebenen Sparguthaben würden entwertet, Importkosten stiegen ins Astronomische, die Staatsschulden blieben in Euro erhalten und ihre Rückzahlung würde sich auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.

Schon heute haben selbst hoch profitable Unternehmen in Griechenland massive Schwierigkeiten. Kredite zur kurzfristigen Finanzierung von Investitionen sind nicht mehr zu bekommen, viele Zulieferbetriebe sind pleite oder haben selbst keinen Zugang zu Rohstoffen mehr. Die griechische Wirtschaft ist schon heute am Boden. Ein Austritt Griechenlands würde diesen Zustand potenzieren.

Dies kann also eigentlich nicht im Interesse der Kapitalgeber sein. Umso erstaunlicher ist es, wie derzeit vor allem von den verbliebenen europäischen Konservativen unter Führung Angela Merkels der eingeschlagene Kurs mit der Brechstange durchgedrückt werden soll. Zwar hat der neue französische Präsident eine wachstumsorientierte Politik schon hier und dort eingefordert, aber in Sachen Griechenland bewegt sich auch in der sozialdemokratischen europäischen Parteienfamilie recht wenig.

Dabei wäre es doch sinnvoll, zunächst mal die Schulden Griechenlands auf ihren Ursprung hin zu untersuchen. Dass die Gewinne von Spekulanten vor der Auszahlung von Renten und Sozialeinkommen stehen sollen, ist doch nun wirklich niemandem mehr zu erklären. Und dass vor allem die reichen griechischen Familien, welche sich seit Jahren um Steuerzahlungen drücken, nun auch mithilfe der europäischen Partner an ihre staatsbürgerlichen Pflichten erinnert werden sollen, erscheint vor dem Hintergrund der dramatischen Situation, vor der Griechenland steht, auch mehr als selbstverständlich.

Ökonomen aller Couleur bestätigen derzeit, dass mit dem von Troika und griechischer Regierung ausgehandeltem Sparpaket weder die griechische Wirtschaft wieder auf die Beine kommt noch irgendeine Aussicht auf Rückzahlung der griechischen Staatsschulden besteht. Auch für den Rest der Eurozone werden düstere Bilder gemalt, sollte es den Finanzmärkten gelingen, erstmals einen Staat aus dieser Währungsunion zu kippen. Spanien und Portugal stehen bereits am Abgrund, dort gibt es bereits heute andere, nicht weniger gravierende Probleme.

Mit einem Wahlsieg SYRIZAS könnte gelingen, was viele derzeit nicht mehr für möglich halten: Er könnte zu einem Politikwechsel in Europa führen. Eine Währungsunion ohne eine Ausgleichsunion ist schlechterdings unmöglich. Ein Weg aus der Rezession ohne umfassende Investitionen, auch und gerade zunächst schuldenfinanziert, ist der Versuch der Quadratur des Kreises. Und das Schließen der Einkommensschere in Europa ohne vernünftige Besteuerung hoher Einkommen und Gewinne ist ein vielfach »bewährtes« Instrument.

Es bleibt also zu hoffen, dass in Griechenland, anders als in Irland, nicht die Angst über die Wut siegt und mit SYRIZA ein neuer Weg eingeschlagen wird, der Modell stehen könnte auch für den Rest Europas.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.