Krank nach der OP

Schlichtungsstellen der Ärzteschaft behandelten mehr Patientenbeschwerden als 2011

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Bilanz ihrer Arbeit stellten gestern in Berlin die ärztlichen Schlichtungsstellen vor. Über 11 000 Patienten hatten sich 2011 mit Beschwerden an sie gewendet und in knapp 2300 Fällen bestätigten Gutachter eine fehlerhafte Behandlung oder mangelnde Aufklärung durch den Arzt.

Knie und Bandscheibe stehen unter Medizinkritikern nicht nur unter Verdacht, allzu oft operiert zu werden, sie finden sich auch ganz oben in der Behandlungsfehlerstatistik der Bundesärztekammer. 1901 Mal bestätigten die Gutachter den Verdacht des Patienten auf einen Behandlungsfehler als Ursache für einen Gesundheitsschaden, in 196 Fällen trugen Betroffene schwere Dauerschäden davon. 99 Patienten starben.

Die meisten Probleme ergaben sich aus Eingriffen bei Knie- und Hüftgelenkarthrosen, gefolgt von Brüchen an Unterarm, Unterschenkel und Sprunggelenk. Auch Bandscheibenschäden, Oberschenkelfrakturen und Behandlungen an der Hand veranlassten Patienten zu Beschwerden. Rückläufig war die Zahl der Anträge, die aufgrund einer unzureichenden Behandlung von Brustkrebs gestellt worden waren.

Eine fehlerfreie Behandlung werde es nie geben, erklärte Andreas Crusius, Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, berichtete aber auch von zahlreichen Fehlermeldesystemen, die von der Ärzteschaft sorgfältig ausgewertet würden. Vor 40 Jahren wurden Schlichtungsstellen von den Landesärztekammern eingerichtet und dienen seitdem als unabhängige, außergerichtliche Anlaufstellen für Patienten mit Beschwerden und Ansprüchen auf Entschädigung. Das waren 2011 genau 11 107 Menschen, 100 mehr als im Jahr zuvor. Lediglich 7452 Anträge wurden zur Bearbeitung angenommen, denn eine solche Schlichtung ist ein freiwilliges Verfahren. Nicht jeder Arzt, hieß es gestern von Seiten der Schlichtungsstellen, stelle sich dem und auch so mancher Patient verabschiede sich im Laufe der Verhandlungen wieder von seinem Vorhaben.

Die ärztlichen Schlichtungsstellen leisteten eine wichtige Arbeit, könnten aber Verbesserungen bei den Patientenrechten nicht ersetzen. Die Verfahren seien freiwillig und könnten deshalb nur für einen Teil der Opfer von Behandlungsfehlern eine zufriedenstellende Lösung erreichen und langwierige Prozessverfahren vermeiden. Viele Betroffene blieben auf den Gang vor das Gericht angewiesen. Heute bedeute das häufig extrem langwierige Prozesse und hohe Kostenrisiken, erklärt Maria Klein-Schmeink, Patientensprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Deshalb müsse mit dem geplanten Patientenrechtegesetz die rechtliche Situation von Opfern von Behandlungsfehlern entscheidend verbessert werden. So sollte grundsätzlich der Arzt nachweisen, dass der Fehler nicht Ursache der Folgeschäden war. Außerdem fordern die Grünen einen Härtefallfonds, der beansprucht werden kann, wenn Patienten einen schweren Schaden erlitten haben, es aber unklar bleibt, ob ein Behandlungsfehler vorliegt. Das schaffe Erleichterung für alle Beteiligten in Fällen, in denen unvermeidbare Behandlungen mit hohen Risiken verbunden sind. Gernot Kiefer, Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung, hatte sich in der »Neuen Osnabrücker Zeitung« vom Dienstag ebenfalls für eine erleichterte Beweislast auf Seiten der Patienten ausgesprochen.

Die Bundesregierung plant ab 2013 ein neues Patientenrecht. Es sieht allerdings vor, dass der Arzt nur bei »groben Fehlern« in der Beweispflicht sein soll, und folgt damit den Vorstellungen der Mediziner. Rechtsanwalt Johann Neu, Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, ist gegen eine Ausweitung der Beweislastumkehr auf alle Fälle. Dies entspräche nicht der Risikoverteilung.

Rund 40 000 Versicherte beanstanden pro Jahr ihre Behandlung. Sie wenden sich auch an den Medizinischen Dienst der Krankenkassen oder an ein Gericht.

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