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Zu wenig oder »falsches« Wissen
Aufklärungskampagne für jugendliche Erstwähler soll helfen
Wenn im Jahr 2014 Landtagswahlen stattfinden, werden erstmals in einem Flächenland auch 16-jährige Brandenburger ihre Stimme abgeben dürfen. Das Bildungsministerium macht seine Ankündigung wahr und startet eine Kampagne, welche den Jugendlichen helfen soll, sich in dieser Frage zurechtzufinden.
Zwar gibt es in der Schule das Pflichtfach »Politische Bildung«, aber dennoch existiere eine Verbreitete Unkenntnis über Wahlsystem und Wahlmodus in Deutschland, sagte Bildungsministerin Martina Münch (SPD), als sie das Projekt vorstellte. Die vermittelten Kenntnisse seien eher abstrakt, und man könne in der Tat einmal darüber nachdenken, dabei einen stärkeren persönlichen Bezug herzustellen.
Im Bewusstsein, dass die Demokratie erlebbar sein müsse, soll die neuen Kampagne vor allem auf lokaler Ebene angesiedelt sein. Auch die Internet- und Facebook-Generation benötige das persönliche Gespräch und die zwischenmenschliche Auseinandersetzung, sagte Münch. Damit dies möglich sei, käme es darauf an, dass Ältere nicht gleich abwinken, wenn sich Jugendliche politisch artikulieren wollen oder auch nur Fragen hätten. Der Leiter der Landesstelle für Demokratische Jugendbeteiligung Thomas Kropp sagte, die älteren würden ein Anspruchsdenken und eine Anspruchshaltung bei Jugendlichen unterstellen, die so nicht existierten. Die altersgerechte Kommunikation mit Erstwählern setze Interesse und den wirklichen Kontakt voraus.
Zur Umsetzung des Konzeptes »Förderung der Beteiligung von Jugendlichen an Demokratie und Wahlen« hatte der Landtag 250 000 Euro zur Verfügung gestellt. Angesprochen werden sollen auch Jugendliche, die schwer erreichbar sind und als »politikfern« eingestuft werden. Auf diese Weise will das damit betraute Bildungsministerium auch gezielt auf die Tatsache reagieren, dass die rechtsextreme NPD sich bei ihrer Wahlvorbereitung vor allem auf die Jugendlichen als mögliche Wähler konzentrieren will.
Die Schulen sind laut Münch in die Kampagne eingebunden, dort würden Kinder beispielsweise erfahren, dass sie u. U. schon vor der Landtagswahl von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen könnten - etwa bei Volksinitiativen oder Volksbegehren.
Zeitgleich wurden die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die der Forschungsverbund SED-Staat (Freie Universität Berlin) erarbeitet hat. Darin wurde überprüft, inwieweit Jugendliche das Demokratie-Diktatur-Schema lupenrein geistig nachvollziehen. Brandenburg hat sich an diesem Unternehmen nicht beteiligt und sowohl finanzielle Gründe als auch methodische Vorbehalte geltend gemacht. Dieser Forschungsverbund wollte schon vor einigen Jahren herausgefunden haben, dass die Jugendlichen in Ostdeutschland, die ja immerhin über Verwandte und Bekannte noch recht eng mit der DDR verbunden sind, wenig und vor allem das Falsche darüber wissen.
Nach den Maßstäben dieser, in der Geschichtswissenschaft Deutschlands sehr umstrittene Forschungsgruppe waren es die bayerischen Schüler, welche über die besten DDR-Kenntnisse verfügen sollen. Für eine Studie auf diesem Niveau wollten sowohl Brandenburg als auch Berlin nicht noch einmal Geld ausgeben, zumal eine Beteiligung allein die Mark 150 000 Euro gekostet hätte.
In der Enquetekommission zur »Aufarbeitung« der ersten Nachwendejahre bringen Oppositionsvertreter zum Ausdruck, dass der Einfluss von Eltern, Verwandten und Freunden auf das Geschichtsbild der Kinder zu groß sei und sie deshalb nicht dem offiziellen Katechismus zu folgen bereit sind. Hingegen sieht der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, der bayerische Gymnasiumsrektor Josef Kaus, eher ein Zuwenig. Das Gespräch der Kinder beispielsweise mit Großeltern über deren Erfahrungen »findet viel zu wenig statt«.
Doch bezogen auf die DDR und die angebliche Verklärung dieses Staates durch heutige Schüler hebt auch dieser Pädagoge den didaktischen Zeigefinger: »Es gibt politische Kräfte, die das vorantreiben«, äußerte er gegenüber einer Zeitung. »Denn es gibt immer noch Politiker, die sagen, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen.«
Hier hilft nach Auffassung des Bayern nur noch bei jeder Berlinfahrt einer deutschen Schulklasse ein Pflichtbesuch in der - von namhaften Historikern übrigens als Konzept abgelehnten - Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen.
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