Wie ein Schweizer Käse
In Thüringen und andernorts haben die Bauern mit einer Mäuseplage zu kämpfen - was tun?
Braunschweig/Erfurt. Viele Bauern in Deutschland haben dieses Jahr mit einer Mäuseplage zu kämpfen. Besonders betroffen seien Thüringen und Sachsen-Anhalt, aber auch Bayern und Hessen, sagte der Biologe Jens Jacob vom Braunschweiger Julius Kühn-Institut der dpa. Schäden würden auch aus einigen Regionen Sachsens und Brandenburgs gemeldet.
»Zu so einer Massenvermehrung kommt es alle drei bis fünf Jahre, doch derzeit ist das besonders verschärft«, sagte Jacob. »Auf manchen Feldern ist der Boden durchlöchert wie ein Schweizer Käse.« Dort komme man auf bis zu 2000 Feldmäuse pro Hektar - verkraftbar seien etwa 200. In Deutschland fehle es an praktikablen Maßnahmen gegen die Mäuseplage. Eine Gefahr, dass gefährliche Krankheiten übertragen werden, sieht Jacob nicht. Zwar habe es dieses Jahr in Baden-Württemberg vermehrt Infektionen mit Hantaviren gegeben, doch würden diese nicht von Feld-, sondern von Rötelmäusen übertragen.
Viele Faktoren
Trotz intensiver Forschung sei bisher nicht genau geklärt, warum es immer wieder zu Massenvermehrungen der Feldmaus komme - und warum die Population später wieder zusammenbreche. Klar sei, dass es dafür keinen einzelnen Faktor - etwa die Witterung - gebe, sondern ein Zusammenspiel vieler Faktoren, erläuterte Jacob. Auf Basis jahrzehntelang gesammelter Daten gebe es für Thüringen und Sachsen-Anhalt ein Prognosesystem, das sich allerdings hauptsächlich auf Wetterdaten stütze. »Das funktioniert bisher ganz gut«, sagte Jacob. »Wir würden das gern bundesweit ausbauen.« Doch nicht überall seien genügend Basisdaten vorhanden.
Jacob bezweifelte, dass natürliche Feinde wie Greifvögel und Wiesel gegen die Mäuseplage etwas ausrichten können. Auf den Zusammenbruch der Population zu warten, sei für die Bauern keine Lösung - dazu komme es vielleicht erst im Winter. »Es gibt auch Fälle, in denen sich solche Massenvermehrungen über zwei Jahre hingezogen haben.« Zudem seien nicht nur Einbußen bei der aktuellen Ernte zu erwarten, sondern auch Schäden bei Raps und Getreide, die im Herbst neu ausgesät werden.
In Deutschland, erklärte der Biologe, sei derzeit nur ein einziges Mittel gegen die Mäuse zugelassen, das aber nur direkt in die Löcher gegeben und nicht frei auf dem Feld verteilt werden darf. »Der Aufwand ist gigantisch«, so Jacob. Das Problem sei, dass sonst auch andere Tiere das Gift aufnehmen könnten. Eine Möglichkeit, die Zahl der Mäuse zu dezimieren, sei das tiefe Pflügen der Äcker. Dabei würden Nester zerstört, zudem fänden die Tiere dann oft keine Nahrung mehr. Allerdings sei - zum Schutz des Bodens vor Erosion - das Pflügen etwas aus der Mode gekommen. Oft werde der Boden nur noch oberflächlich gelockert, erklärte der Experte vom Braunschweiger Julius Kühn-Institut .
Angesichts der Mäuseplage will sich Thüringens Agrarminister Jürgen Reinholz (CDU) für die Zulassung weiterer Schädlingsbekämpfungsmittel stark machen. Zur nächsten Agrarministerkonferenz wolle er eine entsprechende Initiative starten, kündigte Reinholz an. Demnach soll der Bund prüfen, »weitere Wirkstoffe und Ausbringungsmethoden« zuzulassen. Von der Mäuseplage ist nach Angaben des Thüringer Agrarministeriums ist im Thüringer Becken vor allem der Kreis Sömmerda betroffen. Experten rechnen dort mit teils erheblichen Ernteverlusten auf rund 40 000 Hektar Agrafläche.
Nabu gegen Gift
Der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu), Mike Jessat, bezeichnete die Plage in einer Mitteilung als »kalkulierbaren Faktor, den Wirtschaftsbetriebe mit einberechnen sollten«. Es sei vorauszusehen gewesen und eine »ganz natürliche Entwicklung, dass es alle vier oder fünf Jahre zu einem Populationshoch bei Feldmäusen kommt«. Dies sei schon seit Jahrtausenden so.
Jessat betonte, die Tiere sollten nicht mit Gift bekämpft werden. Die Landwirte sollten auch nicht verlangen, dass der Staat Hilfen gibt. Es sei auch zu bedenken, dass Jahre mit hohen Mäusebeständen besonders gute Jahre für Greifvögel und Eulen seien. Diese Tiere bekämen wegen der vielen Nahrung mehr Junge.
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