Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) nennt die Arbeit seines Bundeskriminalamtes und seines Präsidenten zur Abwehr terroristischer Verbrechen »vorzüglich«. Man weiß um den »Duft« von Eigenlob - zumal in Wahlkampfzeiten.
Wie schön wäre es doch, würden die beiden am vergangenen Wochenende in Heidelberg Festgenommenen »Mr. and Mrs. Al Qaida« heißen. Dann hätte sich Bayerns und möglicherweise schon bald Deutschlands Innenminister diesen peinlichen Satz schenken können: »Es gibt bislang keinen konkreten Hinweis (begann er holprig, um dann fortzusetzen), aber ich gehe davon aus, dass es sich auf jeden Fall um eine Gruppe handelt.« Ja mei... es fällt dem Normalbürger wie Schuppen aus den Haaren: Beckstein hat ja Recht! Mehr als einer können bei normaler Betrachtung ein Paar, in außergewöhnlichen Situationen sogar eine ganze Gruppe sein. Und außergewöhnlich ist die Situation auch in Deutschland seitdem in den USA Terroristen vier Flugzeuge entführt, um damit Tausende Unschuldige in New York, Washington und Pennsylvania zu ermorden. CSU-Mann Beckstein meint nicht eine Gruppe, Beckstein meint die »Basis«, die Al Qaida. Ohne dass er, so wie alle Menschen außerhalb dieses vermuteten terroristischen Zirkels um Osama bin Laden, auch nur ansatzweise sagen kann, was damit gemeint ist. Dennoch hat man, getrieben vom Duo Beckstein-Schily, vor allem gegen diese Unbekannten und die von ihnen ausgehende Bedrohung in der Bundesrepublik zwei dicke Gesetzespakete geschnürt. Indem man das, was seit Jahren die Schubladen von Staatsschützern verklemmte, hervorgezog. Wer sich den Heidelberger Fall, so weit er bislang bekannt geworden ist, anschaut, ahnt: Dieser angeblich drohende mörderische Anschlag hätte von jedem Kontaktbereichsbeamten aufgedeckt werden können. Was war passiert? Eine 24-jährige Amerikanerin türkischer Abstammung hat einer Freundin empfohlen, am 11. September, also heute, keinesfalls im »PX« zu shoppen. In diesem Supermarkt für die in Heidelberg stationierten 16000 US-Soldaten und ihre Familien war die Warnerin angestellt. Die nebenberuflich »Bewunderung« für Osama bin Laden geäußert haben soll. In der Wohnung, die Astrid E. mit einem 25-jährigen Türken Osman P. teilt, fand die langsam aufgewachte Polizei 130 Kilogramm Chemikalien und fünf bereits fertig gestellte Rohrbomben. Der Mann arbeitet in einem Karlsruher Chemieunternehmen, dort zweigte er offenbar bombiges Material ab. Den Fall deckte »Kommissar Zufall« auf. Der jedoch steht nicht auf der Lohnliste des Bundeskriminalamtes. Die verzeichnet derzeit 4696 Empfänger, etwa die Hälfte sind Kriminalbeamte, der Anteil der Frauen liegt bei knapp 35 Prozent. Nimmt man allein die finanzielle Ausstattung - und die kann in Zeiten knapper Kassen durchaus ein Maßstab sein -, dann ist das BKA enorm wichtig. 328 Millionen Euro beträgt der aktuelle Jahresetat. Wer nachrechnet, ermittelt einen 13-prozentigen Zuschlag seit Beginn der rot-grünen Koalition. Die will, bleibt sie im Amt, im kommenden Haushaltsjahr noch einmal 20 Prozent zulegen. Es ist nicht so lange her, da spöttelten Sicherheitsexperten, das Bundeskriminalamt sei die »ehrlichste« Behörde der Republik, schließlich vermeide sie den Begriff »Polizei« in ihrem Namen. Solche Witze verbieten sich angesichts der Lage und der Machtvollkommenheit, die Rot-Grün und die Mehrheit des Bundestages nach Wiesbaden delegiert haben. Im Politikerdeutsch heißt das, man habe die »originäre Ermittlungskompetenz« des Amtes »punktuell erweitert«. Das bedeutet unter anderem, die »Bundeskriminaler« können nun selbstständig ermitteln - ohne Einbeziehung der Länderkriminalämter oder anderer Polizeien. Vorausgesetzt, der Fall ist »erheblich«. Das jedoch stellt sich immer erst hinterher raus. Durch die Änderung bestehenden Rechts wurde zudem die so genannte Zentralstellenkompetenz erweitert. Man kann also jeden, selbst als bedeutsam eingestuften Fall an sich ziehen. Mit den bereits vorhandenen Daten ist die Macht über die Gesellschaft enorm. Nach dem 11. September ging das BKA nach eigenen Angaben 23600 Hinweisen nach. Sie sind inzwischen fast vollständig »abgearbeitet«, nicht ein einziger Hinweis - viel kamen aus einem sich neu bildenden »Blockwartsystem«, wo jeder jeden »verzinkt« - war stichhaltig. Dennoch sind derzeit 72 Ermittlungsverfahren »anhängig«. Das Paar aus Heidelberg wäre durch die Rasterfahndung nicht entdeckt worden, mit der die Sicherheitsbehörden - angeführt und angeleitet vom BKA - die Republik durchziehen. Zumindest dort, wo Richter dieser RAF-nostalgischen Schnüffelei kein Ende setzten. Das, was BKA-Chef Kersten generell zum Erfolg der Rasterfahndung erklärt, müsste beschämen. Aus den Millionen von Daten blieb »eine Reihe« von Überprüfungsfällen übrig, die von solcher »Brisanz« sind, dass man damit nur noch Länderpolizeien beschäftigt. Gefragt, um wie viele Fälle es sich konkret handelt, weicht der BKA-Chef aus: Es sind nicht tausende, aber auch nicht nur eine Handvoll... Hört man den Bayern-Sheriff Beckstein, dann ist das Humbug. Er »weiß«, dass allein in seinem Land »500 gewaltbereite und aktive Islamisten« leben. Das BKA dagegen ist stets vorsichtig in seinen Äußerungen: Es könne sein..., man müsse davon ausgehen..., es ist wahrscheinlich... Ohne wirklichen aktuellen Erfolg gegen welches terroristische Netzwerk auch immer bleibt am BKA der Ruf hängen, ein teures »Bundes-Konjunktiv-Amt« zu sein. Selbst da, wo man mit solider Routinearbeit glänzen will, erntet man nur matten Ruhm. Das BKA habe - entsprechend Sicherheitspaket I - Zuverlässigkeitsüberprüfungen bei 260000 Mitarbeitern in »sicherheitsrelevanten Bereichen« vorgenommen. Man denkt seit dem 11. September vor allem an die Beschäftigten auf Flughäfen. Unsere High-Tech-Gesellschaft hält indessen viel mehr Möglichkeiten für zerstörerisches Talent parat. Osman P. arbeitete in einem Chemiewerk als Lagerarbeiter. Kein Gedanke daran, dass man ihn je einem solchen BKA-Check unterzogen hätte. Das Amt indessen »verkauft« Erfolge. Im April habe man 12 Leute festgenommen, die dem Netz »Arabische Mujahedin« angehören. Im Juli stürmte man die Buchhandlung »Attawhid« in Hamburg, weil man dort das Zentrum einer terroristischen Vereinigung vermutet. Bei dem Einsatz nahm man den Paragrafen 129b, der sich gegen im Ausland operierende terroristische Vereinigungen richtet, vorweg. In Kraft trat er Anfang September. Oben auf der Anti-Terror-Erfolgsliste steht der Name El Motassdeq, ein marokkanischer Staatsmann, der in Hamburg einen Teil jener Vorbereitungen geleistet haben soll, die den mutmaßlichen Terrorfliegern ein logistisches Hinterland boten. Bereits Ende 2000 hat das BKA im Verein mit anderen Sicherheitsorganen die so genannte Meliani-Gruppe festgenommen, die angeblich einen Bombenanschlag auf den Weihnachtsmarkt im französischen Strasbourg geplant hatten. Man wird sehen, ob es den Richtern gelingt, seltsame Ungereimtheiten aufzuklären, die Zweifel an der vom BKA aufgetischten Attentatsgeschichte nähren. Um gerecht zu sein, muss man zugeben, dass es das BKA nicht einfach hat mit der Öffentlichkeit. Die nämlich ist nicht zufrieden, wenn man ihr pausenlos für die Aufmerksamkeit und den Kooperationswillen dankt. Die möchte Fakten zur Kenntnis nehmen. Im Gegensatz zu den drei Geheimdiensten unseres Landes, kann die Bundeskriminalpolizei nicht einfach schweigen. Doch auch nicht reden, denn sonst kämen zu viele Details über die verdeckte Arbeit des Amtes und die Kooperation mit den Diensten zur Sprache. Unter Rot-Grün wurden Möglichkeiten gefunden, das verfassungsmäßige Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei zu durchbrechen. Nicht nur durch den öffentlich bekannten Austausch am Informationboard hat Deutschland gut 50 Jahre »danach« wieder eine allseits präsente Geheimpolizei, so wie es sich die aus dem Apparat des Nazi-Terrors kommenden Gründer des BKA gewünscht hatten.
Bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität und anderer überregionaler Fälle hat das BKA umfangreiche Daten gesammelt und zum Gutteil abrufbereit. Dazu gehören 3954000 Personalien von Tätern, die schwere Straftaten begangen haben. Allein im Jahr 2001 wurden 437000 Kriminalakten neu angelegt. Die Behörde verfügt über ein Automatisiertes Fingerabdruck-Identifizierungssystem (AFIS). Zur Zeit sind die Abdrücke von 3037000 Personen erfasst. Pro Monat gehen rund 41000 Fingerabdruckblätter neu ein. In der Lichtbildsammlung sind 6000000 Fotos von 2705000 Personen. 22 Prozent davon wurden auch ins Ausland verschickt. Seit 1998 besteht eine Zentrale DNA-Analyse-Datei. Bislang sind 163000 Datensätze gespeichert. Im Computer des Informationssystems der Polizei (INPOL), auf das jederzeit LKA, BGS, Zoll und andere Sicherheitsbehörden Zugriff haben, befinden sich derzeit 892000 Festnahmeersuchen, 667000 Ausweisungs- oder Abschiebeverfügungen sowie 187000 Ausschreibungen zur Aufenthaltsermittlung. Für die Fahndung im EU-Bereich steht das Shengener Informationssystem (SIS) bereit. In Echtzeit können 30000 Terminals abgefragt werden. Derzeit sind im SIS 10541000 Fahndungen, darunter nach 1234000 Personen eingestellt. Deutschland gab dabei ein Drittel des Fahndungsbestandes ein. Das BKA hat derzeit 58 Verbindungsbeamte in 43 Staaten der Welt entsandt.