Indonesiens radikale Islamisten drohen

Während des Fastenmonats Ramadan wollen sie für Ordnung und Moral nach ihren Vorstellungen sorgen

  • Michael Lenz, Bangkok
  • Lesedauer: 2 Min.
Am Wochenende begann in der islamischen Welt der Fastenmonat Ramadan. Auch in Indonesien, wo die radikale Islamische Verteidigungsfront (FPI) ihre Muskeln spielen lässt.

Die große Mehrheit der muslimischen Indonesier sind freundliche Leute, die sich einem moderaten und toleranten Islam verpflichtet fühlen. Doch die mehr als 30 radikalen islamistischen Organisationen werden immer einflussreicher. Die größte und mächtigste ist die Islamische Verteidigungsfront (FPI). Notfalls mit Gewalt werde sie für islamische Ordnung während des heiligen Fastenmonats sorgen, kündigte die FPI-Führung in Jakarta an. Ihr Erfolg gegen Popstar Lady Gaga hat die Extremisten noch kühner werden lassen. Ein bereits ausverkauftes Jakarta-Konzert der Pop-Ikone wurde Anfang Juni nach Gewaltdrohungen der FPI abgesagt. Die Polizei sah sich außerstande, die Sicherheit der Lady und ihrer 40 000 Fans zu garantieren.

Seit einigen Jahren setzt die militante islamistische Organisation mit Gewalt ihre Vorstellungen von Moral durch und attackiert mit Waffengewalt Angehörige von Minderheitsreligionen wie Christen oder die islamischen Glaubensrichtungen der Schiiten und Ahmadis. »Die Polizei versagt beim Schutz der Verfassung und der Bürgerrechte«, sagt Dhyta Caturani, Sprecherin der Bewegung »Indonesien ohne FPI«.

Die FPI agiert zunehmend als islamistischer Staat im laut Verfassung säkularen Indonesien. Den Rat der Ulamas, das höchste islamische Gremium Indonesiens, hat die FPI bereits infiltriert. Auch die Justiz beugt sich dem Druck der Hassprediger. Erst kürzlich wurde ein schiitischer Kleriker wegen »Blasphemie« zu mehrjähriger Haft verurteilt. Die International Crisis Group klagt, die FPI diktiere zusehends die politische Tagesordnung von Parlament und Regierung.

Gegründet wurde die Organisation 1998 nach dem Sturz des Diktators Suharto von der Polizei und einigen Armeegenerälen. Das bestätigen auf Wikileaks veröffentlichte Informationen über eine enge Zusammenarbeit von Polizei und FPI. Beobachter erkennen zwei Ziele: Reformen sollen gebremst und die muslimischen Wähler bei der Stange gehalten werden. Zudem hat die FPI als eine Art Mafia ein Eigenleben entwickelt, wie Dhyta Caturani weiß: »Sie erpresst Schutzgelder von Kirchen, Moscheen, Restaurants, Karaokebars und hat dieses Geschäft neuerdings auf Supermärkte ausgeweitet.«

Zum Ramadan hat die Polizei den Islamisten einen Blankoscheck ausgestellt. General Timur Pradopo, Indonesiens Polizeichef, kündigte die »Einbeziehung der Öffentlichkeit« bei der Durchsetzung der islamischen Verhaltensregeln während des Fastenmonats an. Aber es gibt auch andere Stimmen im Polizeikorps. Generalinspektor Untung S. Rajab, Polizeichef von Jakarta, will während des Ramadans keine »Strafaktionen« radikaler Gruppen dulden.

Kritiker der FPI leben gefährlich. Über Frau Caturani kursieren per SMS und Tweets Drohungen wie »Sie verdient es, vergewaltigt zu werden«. Sie sagt: »Ich weiß, dass ich auf ihrer Schwarzen Liste stehe.«

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