Konfliktpotenzial
Kommentar von Christian Klemm
Die Politik drückt auf die Tube. Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls bei der Reform des Verfassungsschutzes auf. Jahrelang haben es die Landesämter mit der Geheimhaltung ganz genau genommen. So genau, dass weder ihre Kollegen in anderen Bundesländern noch die Bundesbehörde so recht mitgekriegt haben, wer zur Zeit gerade wen beobachtet. Vermutlich wäre die Mordserie des »Nationalsozialistische Untergrund« (NSU) wenigstens zum Teil verhindert worden, hätten die Abteilungen des Inlandsgeheimdienstes enger zusammengearbeitet.
Jetzt ist Eile geboten, schließlich muss ein Versagen der Schlapphüte wie bei den NSU-Verbrechen für die Zukunft möglichst ausgeschlossen werden. Es wird deshalb erwogen, einzelne Landesämter für einen besseren Informationsfluss zusammenzulegen. An und für sich ein vernünftiger Vorschlag, doch da machen die Ministerpräsidenten bis auf wenige Ausnahmen nicht mit. Der Grund dürfte einfach sein: Durch das Zusammenlegen würden ihre Einflussmöglichkeiten auf die Ämter dahinschmelzen wie eine Kugel Erdbeereis im Hochsommer. Würden die Pläne Realität, müssten sich mehrere Regierungschefs über das Vorgehen eines Landesamtes verständigen. Das birgt großes Konfliktpotenzial, gehen doch die Vorstellungen, wer beobachtet werden soll und wer nicht, zum Teil weit auseinander. Wenn allerdings kleinliches Kompetenzgerangel für wichtiger gehalten wird als der Kampf gegen Naziterroristen, hätten die Verantwortlichen aus dem NSU-Desaster nichts gelernt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.