Rechtsbeschneidung

Kommentar von Uwe Kalbe

  • Lesedauer: 2 Min.

Bei komplizierten ethischen Entscheidungen im Bundestag, wenn keine Fachpolitiker ihre wohlüberlegten Antworten zur Weiterverwendung empfehlen, dürfen die Abgeordneten zuweilen die schützende Deckung ihrer Fraktionen verlassen und bei der Abstimmung allein ihrem Gewissen folgen. Dies könnte im Falle der rituellen Beschneidung von Knaben in jüdischen und muslimischen Familien nun wieder der Fall sein. Ist die körperliche Unversehrtheit oder die religiöse Selbstbestimmung höher zu bewerten, so fragen sich bedächtig wägende Volksvertreter wie grüblerische Kolumnisten in diesen Tagen.

Von Sternstunden der Demokratie ist nach solchen Debatten oft die Rede. Doch abgesehen von staatsrechtlichen und demokratietheoretischen Überlegungen ist schon erstaunlich, wie in diesem Fall Maßstäbe über Bord gehievt werden, die sonst fest vertäut über alle Stürme und Untiefen gesellschaftlicher Wertedebatten gerettet werden. Wie bereitwillig nun plötzlich Verständnis für Beschneidungen aufgebracht wird, von Meinungsbildnern, die sonst so leicht Regeln des Islam als Ausbünde einer zivilisatorisch rückständigen Weltsicht verdammen! Sind Mohammed-Karikaturen nicht viel leichter zu vermeiden als die Kritik am Beschnippeln des Penis eines kleinen Jungen? Die Warnung vor Quacksalbern, die Kraft der Tradition - all dies sind ernste Einwände. Doch das Grundrecht auf Religion erlaubt nicht, Regeln der Religion zum Grundrecht zu erklären. Mag sein, dass das Justizministerium sich deshalb mit einem Gesetz schwer tut. Aus Angst vor Beschneidung - des Rechts.

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