Korea: Der Norden siegt
Im Tischtennis steckt viel Politik - oder auch nicht
Der erste Blick geht zur Anzeigetafel. Stimmen die Flaggen? Ja. Den Fehler leisten sich die Organisatoren nicht noch einmal - schon gar nicht in diesem Match. Dritte Runde der Tischtennisspieler. Joo Saehyuk gegen Kim Hyok Bong. Südkorea gegen Nordkorea.
Die beiden Gegner laufen hintereinander ein, getrennt von zwei Schiedsrichtern. Kontakt unerwünscht. Südkoreaner Joo überlässt Kim die Münzwahl, die letzte noble Geste für 50 Minuten.
Südkorea greift als Erster an. Obwohl als Defensivspezialist getarnt, kommt der erste Schmetterschlag von Joo. Kim ist überrascht, holt sofort zum Gegenschlag aus und gewinnt Satz eins 11:5. Danach schwinden mit jedem Ball, den Joo zurückschlägt, die Kräfte - 6:11.
Auf der Pressetribüne sitzen vier Nordkoreaner in roten Trainingsanzügen. »Do you speak English?«, will der nd-Reporter wissen. »No Sir!«, sagen sie höflich britisch. Kontakt unerwünscht. Ihre eigentliche Aufgabe offenbart sich später.
An der Platte versucht es Landsmann Kim nun auch mit Defensivspiel. Appeasementpolitik, doch Joo nutzt lieber die Schwäche des Gegners und greift selbst an. Also wird auch von Kim wieder zurückgeballert. Der Satz bleibt knapp bis zum 8:8. Da hilft dem Südkoreaner der mächtige Freund, die Tischkante. 11:8.
Der 32-Jährige spielt gern Billard und am Computer, verlautet das offizielle Athletenprofil. Die Hobbys des sechs Jahre jüngeren Kim dagegen sind Billard und Computerspiele. Kaum zu überwindende Trennungslinien. »Ich kenne ihn etwas«, sagt Joo später. »Ich habe Hallo gesagt.«
Der beste Ballwechsel folgt in Satz vier. Nun besticht Nordkoreaner Kim mit hoher Ballonabwehr, bis Joo irgendwann den Schmetterschlag verzieht. Die Menge jubelt Kim zu. Eine Minute später das umgekehrte Bild. Dieses Mal gewinnt der defensive Südkoreaner. Jetzt gehören Joo die Ovationen. Der Außenwelt ist letztlich egal, wer gewinnt. Kim holt sich den Satz 11:7. Es steht 2:2. Schnell geht dieser Kampf nicht vorbei.
Im fünften von maximal sieben Sätzen wechselt die Führung ständig, und so gehen dem Reporter langsam die Metaphern aus. Kim gewinnt ihn 11:8 und liegt nun wieder vorn. Zur Überraschung fehlt noch ein Satzgewinn, da bittet Joo die Unparteiische um eine Auszeit. Waffenruhe. Eine Minute Wunden lecken. Doch es hilft nichts. Der Sieg an der Platte geht an Nordkorea.
Endlich schlägt die Stunde der Männer in den roten Trainingsanzügen. Sie zerren Kim vorbei an der eigentlich obligatorischen Mixed-Zone. Auslandskontakt unerwünscht. Auch Joo sind nur wenige Pflichtworte zu entlocken. »Das war doch ein Spiel wie jedes andere. Ich war nur schlecht«, sagt er. »Mit Politik hat das nichts zu tun. Ist nur Sport.« Mindestens einmal darf er noch spielen in London. Im Teamwettbewerb am kommenden Freitag. Gegen Nordkorea. Oliver Händler
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