Die Ruhe nach dem »Damaskus-Vulkan«
Trotz steigender Opferzahlen - die syrische Hauptstadt ist zu alter Geschäftigkeit zurückgekehrt
»Oh, das war aber ein großer Schlag.« Einen Moment hält eine Gruppe Damaszener Freunde in ihrer Diskussion inne, während sich diese besondere Stille über Damaskus legt, die jeder Detonation, jeder Explosion folgt. Als hielte die Stadt kurz den Atem an, scheinen die Menschen auf weitere Schläge oder Gewehrfeuer zu warten, wie das vor wenigen Tagen noch der Fall war. Wenn weder das eine noch das andere sich einstellt, nimmt der Alltag wieder seinen Rhythmus auf.
Der Freundeskreis, der die Autorin zu seiner Diskussion eingeladen hat, überlegt, wo die Detonation gewesen sein und was sie verursacht haben könnte. Die Meinungen gehen weit auseinander. Das Militär schieße vom Kassioun, dem Hausberg von Damaskus, über die Stadt hinaus Raketen in einen der Vororte, sagt einer. Andere meinen, dass Sicherheitskräfte Sprengsätze kontrolliert zur Explosion gebracht haben könnten. Einer mutmaßt die Explosion einer Autobombe, dann wieder meint jemand, es könne auch der Angriff von Aufständischen mit einem Granatwerfer sein oder, so eine junge Frau, das Militär werfe aus einem Hubschrauber Lärmbomben ab, »um die Menschen einzuschüchtern«.
Zwei Wochen nach dem Sturm auf Damaskus, der »Operation Damaskus-Vulkan«, mit der Rebellen die Stadt einnehmen und »befreien« wollten, hat die syrische Metropole äußerlich ihre alte Geschäftigkeit wiedergefunden. Die Straßen sind voller Autos, Fußgänger erledigen Geschäfte, die Verkehrspolizisten sind ebenso zurückgekehrt wie die Straßenkehrer, die mit Besen und Handkarren ihre Runden drehen. Lange Schlangen vor den Bankautomaten weisen auf das Monatsende hin, an dem die Syrer ihre Gehälter und Pensionen erhalten.
Doch die Menschen sind nervös, müde und bedrückt über die Ereignisse in ihrem Land. Die Zerstörung, unweigerliche Folge der militärischen Eskalation, die Vertreibung Tausender aus ihren Vierteln, die vielen Toten auf allen Seiten ... Täglich verlassen etwa 60 Särge das Militärkrankenhaus »Tischrin«, berichtet ein ausländischer Gesprächspartner, der in Damaskus lebt. Die Zahl der Opfer unter Militär- und Sicherheitskräften ist inzwischen so hoch, dass die Medien nicht mehr - wie noch vor einigen Wochen - täglich die Namen der Toten bekannt geben.
Doch es gibt auch Lichtblicke. In der Zentrale der Polizei von Damaskus, die während des »Damaskus-Vulkans« Ziel eines Angriffs von Aufständischen geworden war, werden 133 Personen freigelassen. Sie hatten sich in Damaskus, im Umland der Hauptstadt, in Homs und Idlib zwar zunächst bewaffnet, später aber der Armee gestellt.
Der neue Minister für Versöhnung, Ali Haidar, lud in Homs Vertreter verschiedener Gruppen zum Iftar-Essen ein, dem abendlichen Fastenbrechen während des Ramadans. In Rukn Eddin wiederum gelang es angesehenen Leuten dieses Damaszener Viertels, junge Leute zu überzeugen, die Waffen, die sie von der »Freien Syrischen Armee« erhalten hatten, bei der Polizei abzugeben.
Die Damaszener Freunde sind ratlos angesichts der Militarisierung ihrer »Revolution«. »Vielleicht können wir in der nächsten Phase etwas Nützliches tun«, meint eine Teilnehmerin vorsichtig. Jetzt sei den Menschen, die Gewalt ablehnten, alles aus den Händen genommen.
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