Mit seiner Rede vor der UNO sammelte USA-Präsident George Bush international Pluspunkte. Sein Haupttrumpf: das grundsätzliche Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit der UNO. Sein Hauptfeind: Saddam Hussein.
Bin Laden ist out. Ein Jahr nach dem 11.September ist für die USA auf einmal Saddam Hussein der neue Hauptfeind. Irak nicht anzugreifen, würde das Leben von Millionen von Menschen aufs Spiel setzen, warf sich Bush bei seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung in die Pose des »antifaschistischen« Staatsmannes, der die Welt vor Unheil retten will. »Delegierte der Vereinten Nationen, ihr könnt diesen Standpunkt auch einnehmen!«, versuchte der USA-Präsident Überzeugungsarbeit zu leisten.
Die USA seien bereit, an einer Resolution mitzuarbeiten, mit der die UNO Irak mittels Ultimatum zum sofortigen Verzicht auf alle Massenvernichtungswaffen auffordern solle. Wenn sich Bagdad den Forderungen dieses angestrebten UNO-Beschlusses widersetze, dann sei »Handeln« gegen Irak unvermeidlich.
Der UNO-Generalsekretär Kofi Annan hatte die Bush-Rede - wie sich herausstellte zurecht - für so medienträchtig gehalten, dass er seine eigene Eröffnungsansprache zur 57. UNO-Generalversammlung bereits am Vortag in Auszügen der Presse hatte zukommen lassen. Tatsächlich waren Bushs Erklärungen weltweit mit Spannung erwartet worden. Und sie hielten, was zuvor aus dem Weißen Haus an die Medien durchgesickert war: dass sich die USA, statt jetzt im Alleingang Irak anzugreifen, um eine Resolution im UNO-Sicherheitsrat bemühen werden, um wenigstens den Anschein der Einhaltung des Völkerrechts zu erwecken. Das »Recht auf präventive Selbstverteidigung«, das sich die USA selbst nach Auffassung des als »gemäßigt« geltenden Außenministers Colin Powell zugestehen, gibt Washington nicht auf. Danach sei ein Krieg gegen Irak durch frühere Resolutionen des Weltsicherheitsrates völkerrechtlich abgedeckt.
Im Kongress ist die Haltung des Weißen Hauses in der Irak-Frage weiter umstritten. Der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Tom Daschle, sagte nach der Bush-Rede, eine »Begründung für einen Präventivschlag« stehe immer noch aus. Das Thema sei für Wahlkampfzwecke »allzu politisiert worden«. Zunächst sei abzuwarten, wie das Ausland auf die Rede reagiert. Dann sei die Frage, ob ein Irak-Krieg nicht notwendige Ressourcen aus dem »Antiterror-Krieg« in Afghanistan abziehen würde. Und schließlich sei nicht geklärt, wer den Irak nach einem Umsturz von Saddam Hussein regieren werde. Die Demokraten, fügte Daschle hinzu, seien zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht dazu bereit, einer Kriegsresolution zuzustimmen. Doch sein republikanischer Gegenspieler im Senat, Trent Lott aus Mississippi, meinte, jetzt sei es »unumgänglich für den Kongress, der Welt zu zeigen, dass wir den Präsidenten unterstützen«. Die Republikaner versuchen mit Blick auf die Kongresswahlen am 6.November, die »Irak-Debatte« am Köcheln zu halten. Den Demokraten, die lieber über innenpolitische Themen reden wollen, soll damit das Wasser abgegraben werden.
Ein ehemaliger Wahlkampfstratege der Demokraten, Robert Strauss, der heute im Weißen Haus arbeitet, sagte, die Rede sei auch auf die US-amerikanische Bevölkerung zugeschnitten gewesen. »Das Land mochte, was er sagte«, meinte Strauss, »auch wenn es größte Bedenken gegen einen Krieg gibt.« Bush sei überzeugt davon, dass er den politischen Konsens ausdehnen könne. Der »New York Times« fiel in einer Analyse der Bush-Rede auf, dass einen Tag nach dem Jahrestag 11.September Osama bin Laden auf einmal in der Wahrnehmung verschwunden und Saddam Hussein als »öffentlicher Feind Nummer eins« in den USA präsentiert wird. Am Beeindruckendsten, hieß es in der Zeitung weiter, sei der rhetorische Schwenk Bushs in Sachen Unilateralismus gewesen. Der USA-Präsident habe mit seiner Rede die Hardliner-Fraktion in den eigenen Reihen kritisiert, die gegenüber internationalen Institutionen und deren Einwirkung auf nationale Regierungen feindselig eingestellt seien. Bush habe geschickt die Frage aufgeworfen, wie sich eine multilaterale Organisation wie die UNO gegenüber einem Diktator verhalten könne. Unterdessen arbeitete Außenminister Colin Powell am Freitag an einem Entwurf für eine UNO-Resolution mit einer Fristsetzung für die Rückkehr der Waffeninspekteure in den Irak. Das Ultimatum, so es zu Stande kommt, wäre den USA für Mitte oder Ende November ausreichend. Denn damit könnte der Republikaner-Wahlkampf bis zum 6.November, vom Weißen Haus dezent im Hintergrund orchestriert, so weitergehen wie bisher.
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