Wie gefährlich sind Assads Waffenarsenale?

Vor allem die Bestände an chemischen und biologischen Kampfstoffen sorgen international für Beunruhigung

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 3 Min.
Angesichts der eskalierenden Kämpfe zwischen den syrischen Regierungstruppen und den Aufständischen wächst international die Besorgnis, dass die im Land gelagerten Waffen und Vernichtungsmittel in falsche Hände geraten.

Als die UNO-Vollversammlung in New York dieser Tage in einer Resolution die unverzügliche Beendigung des Konflikts forderte, ermahnte sie die syrische Regierung zugleich zur Sicherung der Bestände an chemischen und biologischen Waffen. Sie dürften nicht angewendet oder nicht staatlichen Akteuren überlassen werden. Zwar ist Syrien bisher den Konventionen zum Verbot chemischer und biologischer Waffen nicht beigetreten, gehört aber dem Genfer Protokoll von 1925 an, das die Anwendung chemischer Giftgase und bakteriologischer Kriegsmittel untersagt. »Die syrische Regierung würde unter gar keinen Umständen Massenvernichtungswaffen gegen das syrische Volk oder gegen Zivilisten einsetzen«, so umgehend ein Sprecher des Außenministeriums. Sie seien allein für den Fall eines Angriffs von außen gedacht.

Obwohl keine offiziellen Mengenangaben existieren, hat Damaskus erstmals eingeräumt, chemische und biologische Kampfstoffe zu besitzen. Das Arsenal entstand zunächst während des Jom-Kippur-Krieg von 1973. Um einen Einsatz israelischer Massenvernichtungswaffen abzuschrecken, lieferte Ägypten seinem Verbündeten mit chemischen Kampfstoffen gefüllte Artilleriegeschosse und Bomben. Später betrieb Damaskus dann ein eigenes geheimes militärisches Forschungsprogramm für C-Waffen.

Unterstützung erhielt man dabei aus der Sowjetunion, Frankreich, Iran und auch aus der BRD. Geliefert wurden Ausrüstungen wie Hochtemperaturpumpen und säurefeste Geräte. Kolben und Rohre aus hochwertigem Borsilikat kamen aus den Schott Glaswerken in Landshut, andere deutsche Firmen lieferten Edelstahlbehälter und Spezialwerkzeuge. So gelang es relativ schnell, vergleichsweise große Mengen an C-Waffen herzustellen und einzulagern. Expertenschätzungen zufolge enthält das Arsenal hauptsächlich in den Lagerstätten unweit von Homs und östlich von Damaskus 500 bis 1000 Tonnen Senfgas, die Nervengase Sarin und Tabun sowie begrenzte Mengen des extrem giftigen VX-Kampfstoffs. Als potenzielle Trägermittel stehen etwa 250 moderne nordkoreanische Scud-Mittelstreckenraketen bereit. Iran half dabei, das Potenzial von rund 100 alten sowjetischen SS-21-Raketen zu modernisieren. Und Syrien verfügt auch über verschiedene Flugzeugtypen, deren Reichweite groß genug ist, um ohne aufzutanken etwa Ziele in Israel zu erreichen.

Auch auf nuklearem Gebiet erregen die Aktivitäten Syriens Misstrauen nicht nur unter den Nachbarn. Die Internationale Atomenergieorganisation IAEA schickte mehrfach Inspektoren. Syrien gehört zu den Erstunterzeichnern des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrages aus dem Jahre 1968. Darin verzichtet das Land auf Atomwaffen, verpflichtet sich zur ausschließlich friedlichen Kernenergienutzung und öffnet seine Nuklearanlagen für Kontrollen durch die IAEA. Dem Zusatzprotokoll, das erweiterte Inspektionsmöglichkeiten und auch unangemeldete Verdachtskontrollen vorsieht, ist Damaskus bisher ferngeblieben.

Nachdem ein ambitioniertes Atomprogramm aus den 1980er Jahren wegen mangelnder Erfolgsaussichten aufgegeben wurde, startete Damaskus zu Beginn dieses Jahrhunderts ein neues Reaktorprojekt mit Teheran und Pjöngjang. Misstrauen rief ein Vorfall im Herbst 2006 hervor. Damals wurde ein unter panamaischer Flagge fahrendes Schiff, das in Nordkorea beladen worden war, auf seiner Route nach Syrien von zypriotischen Behörden gestoppt und durchsucht. Die Frachtpapiere lauteten auf »meteorologisches Gerät«, tatsächlich hatte der Frachter aber u.a. mobile militärische Ausrüstungsgeräte an Bord.

Von besonderem Interesse für die IAEA-Inspektoren sind drei vermeintliche Nuklearanlagen in den Orten Marj as-Sultan, Masyaf und Iskandariyah, wo Damaskus heimlich versuchen soll, die Fähigkeit zur Herstellung nuklearer Sprengsätze zu erlangen. Israel beließ es nicht bei Misstrauensbekundungen. Am 6. September 2007 bombardierten sieben F-15-Jagdbomber eine Anlage in El-Kibar am Oberlauf des Euphrats. Man begründete die Aktion mit der Behauptung, der mit iranischem Geld finanzierte und mit nordkoreanischer Technologie erbaute Gas-Grafit-Reaktor sollte Plutonium zum Bau von Atomwaffen produzieren. Die IAEA schickte im Juni 2008 Kontrolleure nach Syrien, um den zerstörten Bau zu inspizieren. Obwohl die Trümmer beseitigt worden waren, fanden sie Uranspuren nicht-natürlicher Herkunft und zweifelten angesichts ihrer Merkmale die syrischen Erklärung an, das Uran sei durch israelische Waffen auf das Gelände gelangt. Viele Fragen bleiben bis heute unbeantwortet.

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