»Wir sehen das Licht am Ende des Tunnels«
Abdirahman Omar Osman: Die Übergangsregierung ist im Soll
nd: Waren acht Jahre genug Zeit für die Übergangsregierung, um ihre Ziele zu erreichen?
Yao: Wir konnten alle Pläne umsetzen, wenn auch erst im letzten Moment. Dafür gibt es einige Erklärungen. Als die Ära der Warlords begann, war es für die Regierung unmöglich, von Nairobi nach Mogadischu umzusiedeln. Dann spaltete sich die Regierung, die eine Fraktion ließ sich in Mogadischu nieder, während die andere die Stadt Jowhar als Regierungssitz beanspruchte. Erst später fanden die Rivalen zusammen. 2006 ergriff die Union islamischer Gerichte die Macht, die zum Ende des Jahres wieder von der äthiopischen Einsatztruppe vertrieben wurde. 2008 trat der Präsident zurück und sobald Scheich Scharif Achmed als Präsident nach Mogadischu kam, nahm die radikal-islamistische al-Shabaab den Kampf gegen uns auf. Erst 2011 konnte die AMISOM-Mission die Rebellen aus der Hauptstadt vertreiben. Die Übergangsregierung hatte nie eine Chance, sich auf ihre eigentlichen Ziele zu fokussieren, da sie sich ständig im Kampf gegen Extremisten befand. Aber wir sehen das Licht am Ende des Tunnels: Dank Premierminister Abdiweli Mohamed Ali konnten wir einen Fahrplan entwerfen, der uns den Weg zu den Wahlen bereitet hat.
Was waren die größten Erfolge der TFG?
Neben dem Fahrplan war das die Rückeroberung der größten Städte. Wir kontrollieren wieder weite Teile des Landes, was vor neun Monaten noch unmöglich gewesen war. Außerdem konnten wir, mit Hilfe der UNO, die humanitäre Hilfe ausweiten, eine neue Verfassung implementieren und zum ersten Mal Gespräche mit den separatistischen Regionen Puntland und Galmudug führen.
Im Februar haben sich die TFG und die separatistischen Regionen auf eine somalische Bundesrepublik geeinigt …
Diese Vereinbarung ist nach wie vor gültig und von ihr erwarten wir ein neues politisches Zeitalter, besser als das zuvor.
Bis zuletzt gab es Spekulationen, ob Wahlen im August nicht zu früh wären. Sind sie das?
Nein, denn abstimmen werden ausschließlich traditionelle Führer. Das Parlament wird dann durch die 4.5-Formel aufgeteilt. Auf alle Parlamentarier aus den vier größten Ethnien kommt ein gemeinsamer Vertreter der Minderheitsgruppen. Es wird also keine direkte Wahl des Volkes geben und wir erwarten Ende August tatsächlich neue Parlamentarier und eine neue Regierung.
Sind die somalischen Streitkräfte bereit, den Kampf gegen Extremisten nach dem Abzug der AMISOM allein auszutragen?
Der Kern der Armee schon, aber allen Milizen, die erst in die Armee integriert werden müssen, mangelt es an Training und Disziplin. Uns fehlt auch die Ausrüstung, die AMISOM besitzt. Wegen des Waffenembargos besitzen unsere Truppen kein einziges Kampffahrzeug und kämpfen mit veralteten Waffen. Während AMISOM-Soldaten 1100 Dollar erhalten, beträgt der Monatslohn unserer Soldaten 100 Dollar. Falls AMISOM heute abzieht, wird die al-Shabaab bald wieder die Kontrolle übernehmen.
Die USA verhängten am Ende der Amtszeit Reiseembargos gegen TFG-Mitglieder, die den Fahrplan verzögern wollten und froren ihre Konten ein. Wie hat die TFG darauf reagiert?
Wir waren froh darüber. Denn es gab einige einflussreiche Menschen, die den Prozess behindern konnten oder einen Status quo wollten. Viele der 2004 gewählten Parlamentarier waren Warlords und sie blicken nun besorgt auf die Voraussetzungen, die der Fahrplan für Politiker vorsieht: Bildung, keine kriminelle Vergangenheit und einen guten Ruf in der Gesellschaft.
Welche Schritte müssen für friedliche Wahlen noch unternommen werden?
Um das zu sagen, ist es noch zu früh. Derzeit ist nur eine Wahl der Parlamentarier möglich und diese findet im August statt.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.