Gen-Goldmine am Rio Madidi
US-Biologen untersuchen Biodiversität im einzigartigen Nationalpark Boliviens
Mit Mühe schlägt sich die Expedition durch dichten Amazonas-Dschungel. Mücken und Hitze machen den zwei Biologen, einem Botaniker und zwei Studenten zu schaffen. Drei Wochen dauert die Plackerei im Madidi-Nationalpark schon. Vor sieben Jahren haben die Wissenschaftler des »Madidi-Projekts« im Nordwesten Boliviens 1600 Bäume markiert, berichtet das US-Fachmagazin »Science«. 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt La Paz zieht sich das Waldgebiet auf 1,9 Millionen Hektar vom Andenhochland bis hinab ins Amazonas-Tiefland.
Für die Wissenschaftler ist der Park am Madidi-Fluss ein »Labor des Klimawandels«, zitiert Science den heimischen Projektleiter Alfredo Fuentes von der Universität San Andrés (UMSA). »Lokale Baumpopulationen haben drei Möglichkeiten«, erklärt Nathan Kraft, Biologe der College Park University in Maryland: »Sie können sich bewegen, anpassen oder sterben«. Man wolle herausfinden, welche Wechselwirkungen zwischen Erderwärmung und Biodiversität besteht. Denn davon, versichert Peter Jørgensen vom Projektträger »Missouri Botanical Garden« (MBG) in St. Louis, hänge die Zukunft des Regenwaldes ab: »Nur wenn wir wissen, wie sich die Arten verhalten, können wir herausfinden, wie sie zu retten sind«, so das Anliegen des Projektleiters.
Allerdings sind Forscher vom MBG schon vor Jahren wegen Biopiraterie und illegaler Ausfuhr von Wilderdnüssen aufgefallen. MBG ist einer der größten Botanischen Gärten der Welt. Das MBG-Labor des »William L. Brown Center« ist »Weltführer in der Forschung für Nutzpflanzen«. Botanische Gärten sind wahre Staubsauger von Gen-Informationen aus aller Welt. Auf über 60 Milliarden US-Dollar wird der Marktwert geschätzt. In der MBG-Datenbank »TROPICOS« lagern Proben von 2,5 Millionen Pflanzenarten. Angeboten wird »schnelle Einordnung nützlicher Arten, Substanzen oder Gene, die zu neuen Ernährungs- und Pharmazieprodukten führen«.
Längst hat sich Bolivien, wo 20 Prozent des Staatsgebietes Naturschutzgebiete sind, zum Mekka von Gen-Jägern entwickelt. So hatten sich 1994 Forscher von der Colorado University einen Bestandteil der andinen Quinua-Pflanze patentieren lassen. Sie ließen das Patent allerdings 1998 nach Protesten und einer drohenden Untersuchung der tatsächlichen Herkunft verfallen.
Der drohende Gen-Ausverkauf ist Erbe von Ex-Präsident Gonzalo Sánchez de Lozada. Der 2003 in die USA geflüchtete Millionär widmete in den 1990er Jahren große Teile des Landes in Naturparks um, vor allem Indigenen-Gebiete. An die Spitze des staatlichen Instituts für Biodiversität setzte de Lozada, dessen Familie heute im Pharmabusiness mitmischt, seine Tochter. 2006 legte die aktuelle Linksregierung den Zugang zu genetischen Ressourcen auf Eis.
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