Urwahl von Plakaten

Kommentar von Jürgen Reents

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Neigung, Politik als bloße Symbolpolitik zu betreiben, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Ein Beispiel dafür sind innerparteiliche Rangeleien um Spitzenkandidaturen bei Bundestagswahlen. Im föderal gestalteten deutschen Wahlrecht gibt es solche nämlich nicht, da Kandidatenlisten nur als Landeslisten, also für die jeweiligen Bundesländer aufgestellt werden. Lediglich bei den Parteien, die mit einer möglichen Aussicht auf Regierungsführung in eine Wahl gehen, hat auch eine bundesweite Spitzenkandidatur eine reale Bedeutung: Sie sagt uns, welche Kanzlerin oder welchen Kanzler wir mit einem Sieg dieser Partei zu erwarten hätten. Das ist bei aller nüchternen Einschätzung bei der Union und bei der SPD von Belang, bei allen anderen Parteien nicht. Insofern haben die derzeit energischen Auseinandersetzungen um eine Spitzenkandidatur bei den Grünen im Kern nur einen symbolischen Wert. Oder einen eitlen: Wessen Gesicht soll im kommenden Jahr bundesweit plakatiert werden?

Für diesen Zweck ist es ein ziemlicher Hohn, eine so genannte Urwahl anzustreben. Es handelt sich hier um Punkt zwei der bloßen Symbolpolitik: der Vortäuschung von Basisdemokratie. Angebracht wären Mitgliederentscheide sicher, wenn eine Partei ihre zukünftige politische Richtung neu festlegen und dies nicht allein Delegierten überlassen will. Bei allen Unterschieden zwischen Jürgen Trittin, Renate Künast, Katrin Göring-Eckardt und anderen: Darum geht es bei den Grünen nicht.

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