Nahrung statt Benzin?

Bärbel Dieckmann ist die Präsidentin der Welthungerhilfe

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Hat Sie der Vorschlag von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), E10 auszusetzen, überrascht?
Dieckmann: Ja. Der Vorschlag kam für mich etwas überraschend. Denn wir fordern schon seit 2008 »Teller vor Tank«. Aber unsere Forderung ist, nicht bei E10 stehen zu bleiben. Der Ausbau aller Biokraftstoffe sollte jetzt gestoppt werden und die Beimischquoten sollten flexibel gehandhabt werden.

Was ist so schlimm an E10?
E10 und auch den anderen Benzinsorten werden Biokraftstoffe beigemengt und die werden aus potenziellen Nahrungsmitteln wie Getreide hergestellt. So haben wir eine Konkurrenz zwischen Ernährung und Tank. Dürreperioden, wie in den USA gerade, verschärfen das Problem.

Ist E10 nicht gut für das Klima?
Das ist die Vorstellung gewesen, mit der man E10 vor einigen Jahren eingeführt hat. Heute gibt es sehr viel kritischere Stimmen, die sagen, durch die Art der Produktion gibt es höhere CO2-Ausstöße. Das muss man alles sorgfältig abwägen.

Gibt es nicht auch andere Gründe als den Kraftstoff E10 für den Hunger auf der Welt?
Ja. Weltweit werden ausreichend Lebensmittel produziert, um alle Menschen zu ernähren, aber viele Menschen können sich genug Nahrung nicht mehr leisten. Eine Ursache für die jetzigen Preissteigerungen sind Spekulationen auf Nahrungsmittel. Sie machen schätzungsweise zehn bis 15 Prozent des Preisanstiegs aus. Auch »Landgrabbing« ist inzwischen ein großes Problem in vielen Ländern.

»Landgrabbing« - was ist das?
Investoren aus Industrienationen wie China und Europa kaufen Land in den Entwicklungsländern auf. Es ist in der Regel Land, das wasserreich ist, wo man also gut anbauen kann. Dabei werden oft die entsprechenden UN-Richtlinien nicht eingehalten, dass es zum Beispiel eine soziale Absicherung der Bevölkerung geben muss. Die Bauern vor Ort verlieren so ihr Land, ohne dass sie Arbeitsplätze dafür bekommen. Zudem werden 40 Prozent der Flächen, die gekauft werden, für Biosprit genutzt.

Wie groß ist dieses Problem?
Die Dimensionen sind sehr groß. In vielen afrikanischen Staaten geht es inzwischen um 30 Prozent der potenziellen Anbauflächen. Auch Lateinamerika ist betroffen. In Asien ist es vor allem Kambodscha. Dort gehören 40 Prozent des gesamten Landes inzwischen großen Investoren.

Was kann da Abhilfe schaffen?
Das Wichtigste sind Investitionen in ländliche Regionen, damit möglichst viele Menschen in den Entwicklungsländern so viel produzieren können, dass sie sich selbst ernähren und auf lokalen Märkten verkaufen können. Zweitens gefährdet der Klimawandel viele Flächen durch Dürre. Transparenz bei Spekulationen auf Lebensmittel ist ein weiterer Punkt. Außerdem sollten die Quoten für Biokraftstoffe in den Industrieländern flexibel gehandhabt werden.

Nehmen Sie dabei auch den Ärger der Autofahrer wegen steigender Spritpreise in Kauf?
Die jetzigen Benzinpreise sind keine Folge der Biokraftstoffe oder des Einfrierens von Biokraftstoffen. Da muss man sich die Ursachen genauer anschauen. Die Gewinne bei den Benzinpreisen werden von anderen gemacht.

Fragen: Simon Poelchau

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