Silberschatz vom Acker
Ältestes Geld Mecklenburgs ausgegraben
Ein mittelalterlicher Kriminalfall könnte den Archäologen im heutigen Mecklenburg-Vorpommern ihre glanzvollste Sternstunde beschert haben. Auf einem Acker nahe der Landeshauptstadt Schwerin bargen Bodendenkmalpfleger mehr als 1600 bestens erhaltene Silbermünzen. Sie seien um 1200 geprägt worden und stellten das früheste Zahlungsmittel der Region mit festgelegtem geldlichen Gegenwert dar, so Landesarchäologe Detlef Jantzen.
Vielleicht habe ein reicher Kaufmann vor 800 Jahren den bislang größten und ältesten Geldschatz des nordostdeutschen Bundeslandes nahe dem Schweriner See vergraben, vermutet Jantzen. Womöglich wurde der Besitzer getötet und konnte sich daher sein Eigentum nicht zurückholen. Oder Diebe versteckten das Vermögen unter der Erde, wie der Wissenschaftler mutmaßt.
Bis ins 12. Jahrhundert hinein verwendeten die Slawenvölker an der Ostsee allenfalls sogenanntes Hacksilber zum Warentausch, das nach seinem Gewicht bemessen wurde, wie Jantzen erklärt. Dieses Hacksilber war ein vormünzliches Geld in Form von zerkleinerten Silbergegenständen wie Schmuck, Münzen, Barren oder kleinen Blechen. Erst die deutschen Kolonisten führten richtiges Münzgeld im eigentlichen Sinne ein. Darunter so genannte »Brakteaten« - schüsselförmig geprägte »Hohlpfennige« - aus feinstem Silberblech, wie sie nun in großer Stückzahl gefunden wurden.
Bislang 23 Münzmotive machten die Archäologen auf den jeweils nur zwei Zentimeter großen und nicht mal ein Gramm schweren Geldstückchen aus, wie Restaurator Bernd Wollschläger sagt. Ein Löwe etwa deute auf Sachsenherzog Heinrich den Löwen hin, der 1160 die Obotritenburg »Zuarin« eroberte und die Stadt Schwerin gründete.
Neben mecklenburgischen und pommerschen Prägungen fanden sich unter den Silbermünzen ebenso brandenburgische und Lüneburger Motive sowie Münzen aus dem mitteldeutschen Elbegebiet, wie Landesarchäologe Jantzen erklärt. Wenngleich die Münzen aus reinstem Silber ganz frisch hergestellt gewesen sein müssen, bevor sie nahezu unbenutzt und ohne größere Gebrauchsspuren für 800 Jahre unter der Erde verschwanden, bemesse sich ihr heutiger Wert nicht am Material von insgesamt nur gut einem Kilogramm Gewicht.
Einmalig seien das einheitliche Alter und die Vielfalt dieses ersten richtigen Geldes Mecklenburgs mit teils bis dato noch unbekannten Prägungen. Einen echten Paukenschlag für die Wissenschaft aber stelle die enorme Menge des weitgehend vollständig geretteten Münzschatzes dar, so Jantzen. »In seiner Gesamtheit ist der Fund eine numismatische Sensation und ein wichtiger Puzzlestein für die Geschichte des Landes.«
»Damals muss dieses Bargeld einen unermesslichen Reichtum dargestellt haben«, schätzt der Chefarchäologe ein. Ein gewöhnlicher Bauer habe allenfalls ein oder zwei solcher Silbermünzen besessen. Der jetzt ausgegrabene Schatz aber, dessen damaliger geldlicher Wert noch nicht beziffert werden könne, hätte zu seiner Zeit sogar zum Kauf einer riesigen Viehherde ausgereicht, vermutet Jantzen.
»Detektivische« Forschungen der Archäologen und Numismatiker des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege, die im Schloss Wiligrad bei Schwerin ihre Werkstätten haben, sollen nun weitere Details zu Herkunft und Geschichte des geheimnisvollen Silberschatzes klären.
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