Gesunde Rücknahme

Universitätsklinikum Gießen-Marburg soll wieder Landeseigentum werden

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.
Mehr als 1000 Menschen unterstützen die Initiative zum Rückkauf des Universitätsklinikums Gießen-Marburg.

Sechs Jahre nach der Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen-Marburg (UKGM) wird der öffentliche Druck auf die hessische CDU-FDP-Landesregierung größer, die Klinik wieder in Landesbesitz rückzuüberführen. Eine entsprechende Petition übergaben Vertreter des Marburger Aktionsbündnisses »Gemeinsam für unser Klinikum« am Mittwoch im Wiesbadener Landtag der Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Barbara Cárdenas (LINKE).

»Innerhalb von zwei Wochen haben sich über 1250 Bürger unserer Initiative angeschlossen und den Text unterschrieben«, erklärte der Initiator der Petition und Marburger Lehrer Jürgen Hahn-Schröder auf nd-Anfrage. Mit der bisher bundesweit einmaligen Privatisierung von zwei Unikliniken habe sich das CDU-regierte Hessen weit von der laut Landesverfassung gebotenen staatlichen Krankenversorgung entfernt.

Der 2006 unter Ex-Ministerpräsident Roland Koch (CDU) vollzogene Verkauf von 95 Prozent UKGM-Anteilen an die Rhön Klinikum AG (RKA) bilde »einen traurigen Tiefpunkt«. Menschen seien aber »keine Fallpauschalen« und könnten auch nicht »in biologische Bestandteile aufgelöst werden, um wie in einer Autowerkstatt bei Autoteilen zu abrechenbaren Fallpauschalen zu kommen«, so der Petent.

Hilferuf der Beschäftigten

»Die Petition ist auch ein Hilferuf der Beschäftigten, denn ihre Lage ist nicht mehr hinnehmbar«, erklärte UKGM-Betriebsratsvorsitzende Bettina Böttcher. Dass sich bei einer innerbetrieblichen Umfrage 98 Prozent der Belegschaft für einen Rückkauf durch das Land ausgesprochen hätten, sei kein Zufall. Sehr viele Beschäftigte litten unter der mit einem Stellenabbau einhergehenden Leistungsverdichtung und würden bei diesen Arbeitsbedingungen krank. Im aktuellen Konflikt um den vom Rhön-Konzern geforderten massiven Stellenabbau werde sich die Belegschaft nicht in Berufsgruppen auseinanderdividieren lassen, so die Betriebsrätin.

Böttcher zeigte sich erfreut darüber, dass breite Bevölkerungsschichten ebenso wie viele Ärzte, Professoren und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens das Begehren unterstützten. Zu der Marburger Delegation im Wiesbadener Landtag gehörte auch die Neurologin Marion Twelsik, die vor über drei Jahren mit anderen niedergelassenen Ärzten die privatisierungskritische Bürgerinitiative »Notruf 113« gegründet hatte. Im medizinischen Alltag erfahre sie zunehmend, wie sich die Behandlung der Patienten als Folge der Arbeitsverdichtung im UKGM deutlich verschlechtert habe, sagte die Ärztin gegenüber »nd«.

Von einer Rücknahme des UKGM versprechen sich die Initiatoren der Petition eine hochwertige Gesundheitsversorgung ebenso wie faire, humane und sozial verträgliche Arbeitsbedingungen und eine »Sicherung der Grundlagen für verantwortungsvolle Lehre und Forschung«. Auch wenn die Rückführung allein nicht automatisch alle Forderungen erfüllen könne, sei es ein qualitativer Unterschied, ob eine Uniklinik privatwirtschaftlich geführt und Renditeerwartungen unterworfen sei oder aber im Landeseigentum den Interessen von Bevölkerung und Belegschaft verpflichtet sei, so Ulf Immelt, DGB-Organisationssekretär in Mittelhessen.

CDU ist uneins

Im Marburger Rathaus fordern inzwischen Kommunalpolitiker aller Fraktionen von der CDU bis zur LINKEN die Rücknahme der Privatisierung. Eine Kluft tut sich dabei vor allem in der Marburger CDU auf, deren Stadtverbandsvorsitzender Philipp Stompfe die Privatisierung kritisiert und mit einem Genossenschaftsmodell als Alternative liebäugelt, während der Marburger CDU-Landtagsabgeordnete Christean Wagner bis zum heutigen Tage die Übernahme der UKGM durch Rhön als »Erfolgsmodell« anpreist.

Somit ist auch fraglich, ob die derzeitige CDU-FDP-Ausschussmehrheit in Wiesbaden und die von Wagner angeführte CDU-Landtagsfraktion ohne deutlich stärkeren Druck der Petition entsprechen und die Weichen auf Rückführung des UKGM in Landesbesitz stellen werden. FDP-Abgeordnete fehlten bei der Übergabe der Petition übrigens ebenso wie Vertreter der Grünen.

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