Brisantes Gutachten
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages für schärfe Korruptionsregeln im Bundestag
Die Webseite »Frag den Staat« ist eine tolle Sache: Sie veröffentlicht Anfragen nach den Informationsgesetzen und hilft Bürgern, selber solche Anfragen an den Staat zu stellen. Man muss die entsprechende Suchmaske nur korrekt ausfüllen und ein paar Tage später erhält man elektronische Post. Auf diesem Wege ist ein äußerst interessantes Gutachten erhältlich, das viele Politiker von Union und FDP wohl am liebsten verschwinden lassen würden. Das Papier stammt aus dem Jahre 2008. Es wurde vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages erarbeitet und befasst sich mit »Rechtsfragen im Kontext der Abgeordnetenkorruption«.
Bislang blieb das Gutachten weitgehend unbeachtet. Wohl auch, weil es ein besonders peinliches Kapitel deutscher Innen- und Außenpolitik berührt. Bis zum heutigen Tag weigert sich die Bundesrepublik beharrlich, die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) zu ratifizieren, obwohl die Vereinbarung bereits von 161 Staaten umgesetzt wurde. Damit gehört die BRD zu einem kleinen Klub von Verweigerern wie etwa Sudan, Nordkorea oder Saudi-Arabien.
Der Grund für die deutsche Zurückhaltung: Um den Anforderungen der Konvention zu genügen, müsste vor allem Paragraf 108a des Strafgesetzbuches verschärft werden. Doch die Bundestagsfraktionen von Union und FDP mauern, geht es in dem Paragrafen doch um Abgeordnetenbestechung. Bisher ist diese sehr eng gefasst: »Eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen« wird demnach »mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft«. Alle anderen Formen der Korruption werden nicht erfasst.
Verteidiger des Status Quo, wie der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Otto Fricke, berufen sich auf die Freiheit ihres Mandats, die sie »durch eine zu undifferenzierte Umsetzung der UN-Konvention gefährdet« sehen. Sie fürchten, dass strengere Gesetze die oftmals lukrativen Nebentätigkeiten unmöglich machen würden.
Das nun zugängliche Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes widerspricht dieser Argumentation. Ebenso wie die Oppositionsparteien fordern die Gutachter eine »Erweiterung oder Verschärfung« des Gesetzes. Zwar räumen die Autoren ein, dass ein völliges Verbot von Nebentätigkeiten für Abgeordnete »verfassungsrechtlich unzulässig« sei. Jedoch spreche nichts dagegen, »übermäßig dotierte Nebentätigkeiten unter den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung« zu stellen.
Schon jetzt gibt es Gesetzentwürfe der Opposition, die Abgeordnete eher wie Amtsträger - also Beamte oder Minister - behandeln wollen. Für Amtsträger gelten viel strengere Regeln. Sie dürfen im Gegensatz zu Mandatsträgern so gut wie keine Geschenke annehmen.
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