Kernkraft-Kakophonie in der Pariser Koalition

Sozialistische Minister sehen anders als die Grünen eine Zukunft für die Atombranche

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Erster Koalitionsknatsch in der französischen Linksregierung: Dabei geht es um die Frage, wie zukunftsträchtig die Kernenergiebranche in Frankreich sein soll. Präsident und Premier werden alle Hände voll zu tun haben, um eine Einigung herbeizuführen.

Arnaud Montebourg hat durch eine Äußerung zugunsten der Kernkraft für Ärger in der rot-grünen Koalition in Frankreich gesorgt. In einem Interview meinte der für die »Belebung der Produktion« zuständige Minister, Frankreichs Atomwirtschaft und die damit verbundenen Industrien seien eine »Zukunfsbranche«.

Mit diesem Wort hat Montebourg die Wunde wieder aufgerissen, die sich zwischen den Sozialisten und den Grünen vor Monaten bei den Verhandlungen über eine Regierungskoalition beim Thema Kernkraft aufgetan hatte. Diese wurde nur oberflächlich geschlossen, als François Hollande zusagte, dass der Anteil der Kernkraft an der Stromerzeugung von heute mehr als 75 Prozent bis 2025 auf 50 Prozent gesenkt und das älteste französische Atomkraftwerk im elsässischen Fessenheim als erstes geschlossen werde.

Den Kompromiss sehen einige Grünen-Politiker jetzt in Frage gestellt, denn sie argwöhnen, dass die Gilde der Kernkraftbefürworter in der Sozialistischen Partei Oberwasser bekommt. Zunächst hatte ein Sprecher der Partei Europa Ökologie-Die Grünen (EELV) abgewiegelt und von einer »isolierten Äußerung« Montebourgs gesprochen. Doch als dann der sozialistische Innenminister Manuel Valls seinem Parteifreund beipflichtete, war dies zu viel für die Grünen. Ihr Abgeordneter Denis Baupin sprach nun von einer »völlig realitätsfremden Einschätzung« und der Abgeordnete Noel Mamère von einer »Provokation«. Er erinnerte daran, dass Montebourg auch die umstrittene Schiefergasgewinnung »durchaus bedenkenswert« findet, und sagte, er frage sich, »ob die Koalitionsvereinbarung zwischen den Grünen und den Sozialisten noch gilt«.

Das sieht die frühere Grünen-Parteichefin und jetzige Wohnungsbauministerin Cecile Duflot nicht so krass. Sie gibt zu bedenken, dass Montebourg ja nicht den Energiemix und die von Hollande vorgegebenen Zahlen in Frage gestellt hat. »Entscheidend sind die Taten«, meinte sie und mahnte ihre Parteifreunde zu mehr Gelassenheit. Auch der sozialistische Premier Jean-Marc Ayrault versuchte, die Wogen zu glätten. Er habe Montebourg an die Ziele des Präsidenten und der Regierung in der Energiefrage erinnert, sagte er in einem Interview. Dazu stehe der Minister auch voll. »Es gibt nur eine Energiepolitik der Linksregierung«, versicherte der Premier. Der sozialistische Präsident der Nationalversammlung, Claude Bartelone, versuchte die Polemik noch weiter zu entschärfen, indem er die Äußerungen seines Parteifreundes dahingehend interpretierte, dieser habe auch die mit dem AKW-Abbau und der Dekontaminierung befasste Industrie im Auge gehabt. Karin Gavand von Greenpreace France traut diesen Erklärungen jedoch nicht. »In den letzten Wochen haben sich verschiedene Minister der Regierung Ayrault zu Wort gemeldet und dabei hat man sehr viel Widersprüchliches gehört«, meinte sie. »Aber vielleicht gehört ja diese Kakophonie zum Regierungsstil von Präsident Hollande.«

Premierminister Ayrault wird alle Hände voll zu tun haben, seine Regierung auf eine Linie auszurichten. Noch vor der Sommerpause hatte er für Mitte September eine Konferenz zu Fragen der Umwelt und der Energiewende anberaumt. Da gilt es, Farbe zu bekennen. An ihr werden alle wichtigen Umweltverbände des Landes teilnehmen. Im Ergebnis soll dann binnen eines Jahres ein Rahmengesetz zur Energiepolitik ausgearbeitet, breit diskutiert und vom Parlament angenommen werden. Das hatte Präsident Hollande schon vor Monaten versprochen - und dazu steht er nach wie vor.

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