Kim Collins kämpft
Der Sprintweltmeister von 2003 verliert beim ISTAF und steht weiter vor einer unsicheren Zukunft
Im Zielauslauf des Berliner Olympiastadions war Collins nach dem 100-m-Lauf beim 71. ISTAF konsterniert: Der Routinier, dessen Bestzeit bei 9,98 s steht, der schon den Sieg vor Augen hatte, musste sich auf den letzten Metern einem 20-jährigen Jamaikaner um 0,07 Sekunden geschlagen geben: Kemar Bailey-Cole, der mit 10,00 Sekunden seine Bestzeit egalisierte.
»Der Junge ist talentiert«, sagte Collins, verhehlte aber seine Enttäuschung nicht. »Ich habe mich gut gefühlt. Nun bin ich enttäuscht. Ich wollte gewinnen und allen zeigen, dass man mich noch nicht abschreiben soll. Ich bin noch da. Aber nach allem, was passiert ist, bin ich im Kopf auch nicht frei. Und weit weg von zu Hause, das ist nicht gut.«
Kim Collins hat eine bemerkenswerte sportliche Laufbahn hinter sich: 2003 wurde er Sprintweltmeister, 2005 war er WM-Dritter und holte sich 2011 zweimal WM-Bronze im Sprint und mit der 4 x 100-m-Staffel. Sein Heimatland ehrte ihn nach dem spektakulären WM-Triumph 2003, indem es den 25. August - den Tag seines WM-Titelgewinns - zum offiziellen »Kim Collins Day« ausrief.
Aber das ist lange her. Inzwischen bläst Collins ein unangenehmer Wind ins Gesicht. Seit den Olympischen Spielen in London, wo er zur Eröffnungsfeier die Fahne seines Heimatlandes getragen hatte, liegt er im Streit mit den Sportoberen. Für Collins steht seitdem fest: »Ich werde definitiv nicht mehr für mein Land laufen.« So jedenfalls äußerte er sich nach seinem verlorenen ISTAF-Sprint.
Der Hintergrund seines mächtigen Zorns: Acht Tage nach der Eröffnung der Spiele und nur wenige Stunden vor seinem 100-m-Vorlauf erhielt er ein olympisches Startverbot durch Funktionäre seines Landes. »Ich dachte, die wollen mich veräppeln«, erinnert er sich. Aber das NOK des Karibikstaates teilte ihm offiziell die Sperre mit der Begründung mit, er habe gegen die Teamregeln verstoßen und mehrfach das Olympische Dorf verlassen, weil er seine Frau und seinen Coach in einem Londoner Hotel besucht habe. »Ich habe die Welt nicht mehr verstanden, und ich verstehe sie auch heute noch nicht«, so Collins, der schon in London über Twitter sein Unverständnis mitteilte: »Selbst Männer im Gefängnis dürfen ihre Frauen sehen.«
Wie geht es nun weiter? In Berlin gab sich Collins, ein stets freundlicher und charmanter Typ, kämpferisch: »Ich laufe nicht mehr für mein Land. Das ist klar. Vielleicht kann ich 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio unter der olympischen Flagge starten, wenn so etwas möglich ist. Oder ich werde für ein anderes Land rennen. Das alles weiß ich nicht.«
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