Rote Karte für die Grüne Gentechnik
Vielfältige Protestaktionen anlässlich des 11. Innoplanta-Forums in Gatersleben
So ein Polizeiaufgebot sah Gatersleben vermutlich noch nie: Rund 200 Beamte waren am Dienstag im Einsatz, um den Teilnehmern des Innoplanta-Forums ungestörten Zutritt auf das Tagungsgelände im Leibniz Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) zu sichern. Die Proteste der rund 150 Gentechnikgegner konnten sie dennoch nicht verhindern. Diese sehen in dem, was die Veranstalter als »wichtige nationale Diskussionsplattform zur Grünen Biotechnologie« bezeichnen, ein Kungeltreffen von Gentechniklobbyisten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft.
Aktivistin Johanna Rehse kettete sich noch vor Tagungsbeginn an einem der Tore fest: »Ich sitze hier, da das Innoplanta-Forum das Letzte ist, was den Profiteuren der Gentechnik noch bleibt. Das wollen wir verhindern«, sagte sie. Nahe des Südeingangs kam es ebenfalls in den Morgenstunden zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, als Demonstranten, unter ihnen eine Gruppe bayerischer Landwirte, versuchten, in Sichtweite der Ankömmlinge zu protestieren.
Zur Mittagspause zogen Demonstranten mit einem »Soundmobil« vor den Veranstaltungsort, wurden aber von der Polizei zurückgedrängt. Dabei gab es mehrere Verhaftungen. »Die Strategie erinnert mich an die, die die Polizei sonst bei Naziaufmärschen fährt«, kritisierte Jörg Bergstedt, einer der Versammlungsleiter der fünf Begleitdemos. Beide Gruppen sollten streng voneinander getrennt bleiben. »Das verstößt gegen das Versammlungsrecht«, so Bergstedt.
Lange Zeit war unklar, ob die Konferenz überhaupt stattfindet, befindet sich die Grüne Gentechnik in Deutschland doch auf dem Rückzug. Nach dem Verbot des Genmais MON 810 im April 2009 ist die Stärkekartoffel Amflora von BASF in Deutschland die einzige für den kommerziellen Anbau zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze. Doch es finden sich weder Bauern, die sie anbauen, noch Firmen, die sie verarbeiten wollen. BASF Plant Science kündigte an, ihren Hauptsitz in die USA zu verlegen. Aufgrund fehlender Akzeptanz wolle man nicht mehr für europäische Märkte produzieren.
Dazu beigetragen haben sicher die Aktionen gegen Versuchs- und Vermehrungsflächen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen- Anhalt. Besonders umkämpft war das Kartoffelfeld in Zepkow: Aktivisten - von der Bürgerinitiative »Müritzregion gentechnikfrei« über Feldbesetzer und Greenpeace bis hin zu »Gendreck weg« - hatten den Betrieb durch Gegensaaten, eine Blockade und eine Feldbefreiung erheblich gestört.
Nach mehreren Feldzerstörungen öffnete auch der Gentechnik-Schaugarten in Üplingen (Sachsen Anhalt) 2012 nicht mehr. Und die Hochburg der Gentechnikforschung, das Agrobiotechnikum, meldete keinen Freisetzungsversuch mehr an. Laut »Ostseezeitung« regte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Till Backhaus (SPD) an, dort lieber an Hülsenfrüchten zu forschen.
In Deutschland fanden sich 2012 nur noch drei Freisetzungsversuche im Standortregister - ein Kartoffelfeld wurde beschädigt, ein weiteres zerstört. »Ich glaube, dass es die Vielzahl der Aktionen und Leute war, die mitgemacht haben, die dazu beigetragen haben, dass die Gentechnik hier verschwunden ist - und zwar das ganze Spektrum von Feldbefreiung bis zu Sonntagsspaziergängen oder Leserbriefen«, meint Ilse Lass von »Müritzregion gentechnikfrei«.
Doch noch ist es zu früh, die Sektkorken knallen zu lassen: Das IPK kündigte an, 2013 in Üplingen den 2008 zerstörten Genweizenversuch zu wiederholen. Der kreative Widerstand wird dann wohl nicht lange auf sich warten lassen.
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