Von Punks und Pionieren

Fotos vom Jugenddasein in der DDR zeigt das Museum Pankow in der Ausstellung »Die Meldung«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Erinnerungen weckt eine Ausstellung im Museum Pankow. Schlicht heißt sie »Die Meldung«, hat den Untertitel »Schüler, Punks und Pioniere in der DDR« und zeigt in zwei Räumen und 45 meist großformatigen Fotos, wie er war, der Schulalltag in der DDR. Aufgenommen hat sie Volker Döring, von 1975 bis 1984 Lehrer für Mathematik und Physik im Prenzlauer Berg, dann freiberuflicher Fotograf mit Lehrauftrag. Einer, der die Materie kennt und dann die Seiten gewechselt hat. Der trotz Detailwissen gebührende Distanz zu wahren hatte, wollte er nicht bloßer Illustrator sein.

Das ist ihm in den Schwarz-Weiß-Aufnahmen auf berührende, mitunter beklemmende Weise geglückt. Denn der Schüleralltag in der DDR war widersprüchlich und doppelbödig. Da gab es den Zusammenhalt in der Klasse wie überall auf der Welt; da gab es aber auch die staatsbürgerliche Erziehung, wo einem immerfort Liebesbezeugungen für etwas abgefordert wurde, was doch »nur« das Land war, in das man zufällig hineingeboren worden war. Dass dies ein Land inmitten weltpolitischer Ränke zwischen den Systemen war, zudem eines in geografisch exponierter Lage, verstand man als Kind nicht. Auch nicht das Ringen dieses Staates um seine nächste Generation mit oft hanebüchenen Mitteln. Lästig empfand das selbst der Sanftmütige, nicht wirklich Aufmüpfige. Zwischen den beiden Polen des mehr oder weniger ehrlichen Mittuns und der getarnten Verweigerung changieren auch Dörings Fotos.

Entstanden sind sie in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre, zumeist in seiner ehemaligen Schule, aber auch bei öffentlichen Festen wie Pioniertreffen und Jugendfestival sowie bei Rockkonzerten. Im Zentrum der Bilder stehen stets die kleinen und größeren Protagonisten beim Unterricht oder in der gestalteten Freizeit. Symptomatisch spiegeln sie, wie der Staatsmacht mit zunehmendem Alter ihrer Schützlinge der Zugriff abhandenkommt. Bei den Jüngsten funktioniert er noch, der Glaube an die Richtigkeit dessen, was der Lehrer sagt.

Auf der Feier zur Aufnahme in die Pionierorganisation gratuliert die Lehrerin einem Mädchen, das stolz den neuen Mitgliedsausweis hält und so lichtvoll blickt, wie die Sonne ihr Profil umspielt. Stramm steht auch noch der Pimpf, der in Pionierkluft seiner kopflosen Lehrerin meldet, die Klasse sei unterrichtsbereit. Liebevoll legt sich die Hand einer wiederum angeschnittenen, unpersönlichen Lehrerin auf den Kopf ihres nachdenklichen Schülers. Die vor kleinen Zuhörern referierende Frau wirkt trist und wenig überzeugend, auch wenn »Wir lernen und leben für den Frieden« über allen Köpfen prangt. Der Weihnachtsmann unterm Thälmann-Porträt: anachronistisch.

Wenn ein etwas älterer Junge neben sich auf der Bank die Tüte einer westlichen Zigarettenmarke liegen hat, ist das ein erster kleiner Akt des Subversiven. Den Kleineren, der sich mit WC-Papier die Hände trocknet, über sich verziert der Spruch »Frieden ist schön«, stört das noch nicht. Zwei weibliche Teenager, bei der Zivilschutzausbildung in ungewohnter Uniform, fassen sich an den Händen, blicken eher konsterniert in die Kamera.

Hüpfen Mädchen noch fröhlich im Volkstanz-Reigen, tanzen Punks beim Rockkonzert in Weißensee unbändig wild, eine junge Dame im Mini verliert sich ganz an die Musik. Dezent noch fällt der Punk mit gelgetürmtem Haar aus; auf einer Privatfete hängen Gesinnungsgenossen herum wie Jugend auf der ganzen Welt: rauchend, trinkend, kosend, und das schon 1982. Der FDJ-Ordner mit Engelshaar, wie er verträumt der Musik lauscht, und sein Kollege, den die Kamera einsam und verkniffen weit entfernt von wartenden, fahnenbewehrten Marschkolonnen einfängt, stehen nochmals exemplarisch für die Spannweite der Gefühle, mit denen Jugend auf DDR reagierte.

Bis 16.9., Di.-Do. 10-18 Uhr, Museum Pankow, Prenzlauer Allee 227/228, Tel.: (030) 902 95 39 16

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