Alleingang im hohen Norden
Finnlands Euro-Krisenpolitik ist geprägt von Skeptizismus und Sonderkonditionen
Von Athen, Madrid oder Rom aus gesehen liegt Finnland irgendwo weit entfernt im hohen Norden. Doch die eigenwilligen Forderungen, die Helsinki im zähen Kampf gegen die Eurokrise gestellt hat, haben am Mittelmeer wiederholt Naserümpfen hervorgerufen. Von Griechenland und zuletzt im Juli auch von Spanien sicherte sich die finnische Regierung Sondergarantien, ohne deren sich die Nordlichter am jeweiligen Hilfsabkommen nicht beteiligt hätten. Für weitere Irritationen sorgte kürzlich Außenminister Erkki Tuomioja, der einer britischen Tageszeitung sagte, dass Finnland sich auf den Zerfall der Währungsunion vorbereiten würde.
Finnland ist mit gut fünf Millionen Einwohnern ein Leichtgewicht in der Eurozone. Seine Anteil am neuen Rettungsmechanismus, dem ESM, beträgt gerade mal 1,8 Prozent (Deutschland über 27 Prozent). Allerdings hat der finnische Alleingang auch positive Resonanzen ausgelöst. Nicht umsonst verdient die Finanzpolitik Helsinkis viel Lob: Sie ist eine der wenigen in der EU, die von den einflussreichen Ratingagenturen mit der Höchstmarke AAA benotet wird. Die aktuelle Arbeitslosenquote liegt bei 7,5 Prozent; die Staatsverschuldung bleibt mit knapp 50 Prozent weit unter dem EU-Durchschnitt (Deutschland 82 Prozent). Finnland, das nach Ausbruch einer tiefen Wirtschaftskrise in den frühen 1990er Jahren der EU beitrat, hat sicherlich von der europäischen Gemeinschaft profitiert.
Doch es ziehen auch dunkle Wolken über der exportorientierten finnischen Wirtschaft auf - einer der Gründe für das Misstrauen der Finnen gegenüber den Krisenländern. Bezeichnend ist der rasante Fall des Telekommunikationskonzerns Nokia, dessen Stellung als Zugpferd einer ganzen Wirtschaft seinesgleichen sucht. Der finnische Haushaltsplan für das nächste Jahr ist mit drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Minus und es wird ein eher bescheidenes Wirtschaftswachstum (für 2013 etwa 1,2 Prozent) in Aussicht gestellt. Der Präsident der finnischen Zentralbank Erkki Liikanen hat im Juni aufgerufen, dass das Land - nicht zuletzt seiner alternden Bevölkerung wegen - besser jetzt als später seine Einkommen und Ausgaben kritisch begutachten solle.
Nebst eigenen wirtschaftlichen Sorgen hat auch die finnische Innenpolitik einen spürbaren Ruck in Richtung Euroskeptizismus genommen. Zum Auslöser wurde die ehemals marginale Partei der »Wahren Finnen« (finnisch Perussuomalaiset), die bei den Parlamentswahlen 2011 kruden Rechtspopulismus gegen eine Anti-Euro-Hilfe-Kampagne tauschte und damit von vier auf 19 Prozent Wählerstimmen durchstartete. Der Erfolg der jetzt stärksten Oppositionskraft zwingt die Sechserkoalition um den konservativen Ministerpräsidenten Jyrki Katainen, eine strengere Haltung gegenüber Griechenland einzunehmen.
Nichtsdestotrotz sind viele Finnen immer noch der Eurozone wohlgesinnt. Der Anteil derer, die der Rettung der Krisenländer zustimmen würden, ist in einem Jahr zwar von 52 auf 44 Prozent gesunken - so eine Umfrage der größten Tageszeitung Helsingin Sanomat. Eine solch hohe Zahl wäre aber »nach all den Ereignissen eine Überraschung«, sagt Ville Pernaa von der Universität Turku. Zudem: 63 Prozent der Befragten würden den Euro behalten, im Gegensatz nur 26 Prozent aus der Währungsunion austreten.
Aber der Chor muss im Einklang singen. EU-Währungskommissar Olli Rehn, der selbst ein Finne ist, mahnte kürzlich seine Landsleute, dass die schiefen Töne aus Helsinki sehr wohl in Europa wahrgenommen werden. Da Finnland selbst von der europäischen Gemeinschaft profitiert habe, wäre eine euroskeptische Politik ein Eigentor, so Rehn.
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