Plutonium an Bord
Proteste gegen umstrittenen Brennelemente-Transport weiten sich aus
Der angekündigte Transport mit Brennelementen aus Mischoxid (MOX) von Großbritannien nach Niedersachsen schreckt Kommunalpolitiker auf. In einer gemeinsamen Sondersitzung wandten sich der Kreistag des Landkreises Wesermarsch und der Stadtrat von Nordenham am Montagabend gegen den Umschlag der 16 plutoniumhaltigen Brennelemente in ihrem Gebiet. Beide Parlamente fordern die Regierungen in Bund und Land auf, die Genehmigung für die Verladung im Hafen von Nordenham zurückzuziehen. Auch künftig solle es keine Erlaubnis mehr für den Umschlag von Kernbrennstoffen in der Stadt an der Unterweser geben. »Nordenham darf keine Drehscheibe für internationale Atomtransporte, für den Umschlag brisanter, hochgefährlicher strahlender Güter sein und werden«, heißt es in der mehrheitlich verabschiedeten Resolution.
Zuvor hatten sich schon andere niedersächsische Städte gegen die Nutzung ihrer Häfen für Atomtransporte gesperrt. Das Bremer Landesparlament beschloss sogar ein förmliches Verbot.
AKW-Brennelemente bestehen meist aus reinem Urandioxid. Selten kommt ein weiteres Oxid hinzu, zum Beispiel Plutoniumdioxid. Der Energiekonzern E.on hatte in den vergangenen Jahren schon mehrfach angekündigt, solche MOX-Brennelemente aus der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield zum niedersächsischen Atomkraftwerk Grohnde schaffen zu lassen. Nun hat das Unternehmen die zweite September-Hälfte und den November als Termine für die Lieferung von jeweils acht Brennelementen genannt. Die Fracht soll in Nordenham umgeschlagen werden.
Das für den Transport vorgesehene Schiff »Atlantic Osprey« hatte am Mittwoch vergangener Woche den Hafen von Workington nahe Sellafield verlassen, war aber tags darauf überraschend wieder dorthin zurückgekehrt. Umweltschützer haben starke Sicherheitsbedenken gegen das früher als Fähre genutzte Schiff. Es habe keine Doppelwand, kein zweites Antriebssystem und kein Querschott zum Abdichten von eventuell eindringendem Wasser. Ob die Brennelemente bereits an Bord der »Atlantic Osprey« sind, ist unklar. Landrat Michael Höbrink (SPD) vom Kreis Wesermarsch beklagt sich, dass er bisher nicht über Einzelheiten informiert wurde. »Wir sind die Katastrophenschutzbehörde, und im Ernstfall wissen wir gar nichts«, sagte er.
Anti-AKW-Initiativen und Umweltverbände halten den Transport für äußerst gefährlich. Die 16 Brennelemente enthielten fast 300 Kilogramm Plutonium, sagt etwa Tobias Darge von der Regionalkonferenz »Grohnde abschalten!«. Das sei genug, um rund 40 Atombomben zu bauen. Bei einem Unfall des Atomtransports mit längerem Brand oder starkem Aufprall könnten Plutonium-Partikel frei werden. »Unfälle, die zu einer Freisetzung radioaktiver Stoffe führen, können verheerende Folgen haben«, warnt auch der Physiker Fritz Storim von der Bremer Messstelle für Arbeits- und Umweltschutz. Aus Sicht der energiepolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Dorothée Menzner, ist der Transport »völlig überflüssig und hochriskant«. MOX-Brennelemente seien im Havarie- und Unglücksfall noch weit gefährlicher als herkömmliche, da ein Millionstel Gramm Plutonium ausreiche, um »mit Sicherheit« Krebs auszulösen. Der Einsatz von MOX-Brennelementen müsse vom Gesetzgeber ein für allemal untersagt werden, verlangt Menzner.
Untätig will die Anti-Atom-Bewegung nicht bleiben, wenn es mit den MOX-Transporten losgeht. Sobald die »Atlantic Osprey« wieder in See sticht, sollen Protestaktionen anlaufen. In Grohnde wurde bereits eine Dauermahnwache angemeldet, in Nordenham ist für Sonntag ein »demonstratives Paddeln« angekündigt. »Wenn genug Menschen mit Kajaks und Kanus teilnehmen, wollen wir symbolisch eine Weser-Blockade machen«, so Bernd Ebeling von der Anti-Atom-Organisation »ContrAtom«.
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