Schmähkraft der Kunst

Kommentar von Hans-Dieter Schütt

  • Lesedauer: 2 Min.

Schmähvideo. Der Begriff geht um wie ein Gespenst. Ihm hinterher hechelt die Frage: Was ist erlaubt? Das Aktionswesen schlägt Haken, hüpft über Grenzen, provoziert die Setzung neuer Grenzen, springt wieder drüber. Seit jeher. Seit Hanswurst zum Beispiel. Der, ein Wesen aus dem Mittelniederdeutschen, schiss auf die essensprall gepackten Tische der Oberen. Er wurde bejubelt - und verboten, er diente schließlich als Grund, die Theaterzensur einzuführen. Lang her. Er war einsam, der Hanswurst. Dass er auf Tische schiss, wurde auf kein Video gebannt, der Bruch mit den guten Sitten hatte keine Chance, ein massenkulturell aufreizendes, gar aufwieglerisches Potenzial zu entwickeln.

Hanswurst heute: Pussy Riot, Mohammed-Karikaturen, Ai Weiwei. Schlingensief war auch einer. Der Weg der Kunst hat immer schon zwei Richtungen: Sie beschwört das Heilige, sie trampelt auf alles Heilige. Gegen-Welt zu sein heißt: gegen Hässliches das Schöne setzen, aber die Tempel auch mit Dreckstiefeln betreten. Kunst feiert das Edle, wühlt im Niedrigen. Sie küsst und spuckt. Sie ist frei in allem: hat gleichermaßen das Recht auf Intelligenz und Primitivität - Geschmacklosigkeit ist kein Vergehen, sie ist höchstens: keine Kunst. Kunst hat keine Gesetzeskraft, aber sie darf, jenseits der Völkerhetze, Gesetzeskraft testen, die Friedenspflicht des Staates. Darf sogar drauf aus sein, bestraft zu werden. Wo das keine Kunst ist, scheint sie am wichtigsten zu sein. Schmähvideo: Hanswurst wäre wohl neidisch.

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