Altmaier verunsichert Windenergiebranche
Auf der Messe in Husum machte sich der Umweltminister mit seiner Kritik an zu starkem Ausbau keine Freunde
Mit der Botschaft im Gepäck, dass die Windenergiehersteller doch bitte auf die Bremse treten mögen, zur weltweiten Leitmesse der Branche zu reisen, das nennt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) einfach nur »töricht«. Der Kritisierte ist Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), dessen Auftritt in Husum bei Vertretern von großen wie kleinen Firmen für Kopfschütteln und Verärgerung sorgte.
Andreas Eichler, Vertriebsleiter Deutschland des dänischen Windanlagenherstellers Vestas, ist entsetzt. Altmaiers Aussagen konterkarierten alle Beteuerungen zur Energiewende und erwiesen der Stromerzeugung an Land als kostengünstigster Energieform einen Bärendienst. Martin Schmidt vom nordfriesischen Windenergie-Netzwerk Windcomm stimmt ein: Planungssicherheit sei wichtig, doch die Bundesregierung sorge derzeit für das Gegenteil. Viele Investoren seien finanziell in Vorleistung getreten, hätten sich Genehmigungen besorgt, Pachtverträge unterschrieben und Turbinen geordert. »Wer jetzt bremst, führt gerade viele Mittelständler vors Schafott.«
Albig möchte sich den wirtschaftlichen Motor, der dem nördlichsten Bundesland immerhin 7000 Arbeitsplätze beschert, von Altmaier nicht abwürgen lassen. Schleswig-Holstein könne bis 2020 mit Windstrom bereits 300 Prozent des Eigenbedarfs produzieren, sagte der Regierungschef. Energie aus dem Norden werde auch die Preise senken. Das könne man bereits an der Strombörse beobachten.
Mit seiner Aussage, dass die Ausbaupläne der Länder bis 2020 rund 60 Prozent mehr Windenergie vorsähen, als für die Energiewende-Zielvorgabe benötigt werde, goss Altmaier noch einmal Öl ins Feuer. Mit Wortkosmetik wollte er anschließend das in den Brunnen gefallene Kind retten: Er habe nie von einer Drosselung gesprochen, sondern nur von einer nötigen besseren Koordinierung. Nahezu jedes Land wolle stromautark werden und eigene Windanlagen bauen; wo solle der überschüssige Strom aus dem Norden dann noch Abnehmer finden?
Für Branchenvertreter in Husum sind diese Worte das Herbeireden von Luxusproblemen. Auch bedürfe es nicht nur des Netzausbaus, sondern auch einer Entwicklung von Energiespeicherlösungen sowie einer besseren Ausschöpfung von Kraft-Wärme-Kopplung. Gerade auf diesem Gebiet sieht Jürgen Schmid, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (Kassel), große Potenziale.
Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, betonte in Husum, bei einer besseren Effizienzausschöpfung durch fortschreitende Flexibilisierung der Stromerzeugung müsse niemand die Frage nach einem Scheitern der Energiewende stellen. Der Verbraucher werde spätestens dann begreifen, dass erneuerbare Energien eben keine Preistreiber seien.
Paul Gipe vom US-Branchendienst »wind-works.org« betätigte sich ebenfalls als Mutmacher. Während man in seiner Heimat beim Umsetzungsprozess der Erneuerbaren schon weiter gewesen sei, könne Deutschland sich mit breiter Brust hinstellen und sagen: »We can do it!«
In Husum macht man sich derweil noch andere Zukunftssorgen: Die Messegesellschaft Hamburg, die sich in städtischer Hand befindet, will Schleswig-Holstein die Windenergie-Schau abjagen. Für 2014 hat sie zeitgleich eine eigene Messe angesetzt.
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