Lukaschenko gibt Zügel nicht aus der Hand
Opposition bleibt uneins und schwach
Daran dürfte sich nach der Abstimmung am Sonntag nichts ändern, zumal auch vier weitere Parteien – darunter die Kommunistische Partei von Belarus – zum Präsidentenlager gezählt werden. Lukaschenko, der die Zehn-Millionen-Republik seit 1994 regiert und dem die Verfassung weitgehende Vollmachten zugesteht, habe das Ergebnis im Bunde mit der Zentralen Wahlkommission bereits festgelegt, bevor am Mittwoch die ersten Stimmzettel in den Urnen landeten. Das glaubt jedenfalls Alexej Janukewitsch, der Chef der oppositionellen Belarussischen Volksfront. Schon die Möglichkeit vorzeitiger Stimmabgabe erleichtert aus Kritikersicht eine unkontrollierbare Manipulation der Ergebnisse.
Die Volksfront und die Vereinigte Bürgerpartei hatten ihre Kandidaten daher bereits am 15. September aus dem Rennen genommen. Sie waren von den jeweiligen Parteiführungen ohnehin nur nominiert worden, um während der kostenlosen Werbezeiten im Staatsfernsehen das Volk zu agitieren, der Abstimmung fernzubleiben. Als Oppositionskandidaten gelten seither noch etwa 40 Bewerber, von denen 28 die Belarussische Partei der Linken »Gerechte Welt« vertreten, die der Europäischen Linkspartei angehört.
Wahlen sind in Belarus nur bei einer Beteiligung von 50 Prozent aller Stimmberechtigten gültig. Die Boykottaufrufe, meint der Politikwissenschaftler Juri Tschausow, könnten Lukaschenkos Macht zwar nicht ins Wanken bringen, wohl aber für erhebliche Bauchschmerzen sorgen. Bis zu 40 Prozent der Wähler könnten zu Hause bleiben. Damit stünde es schlecht um die Bemühungen der Regierung, dem Urnengang durch hohe Beteiligung auch im Ausland gewisse Legitimität zu verleihen. Ohnehin werden die Wahlen im Westen von vornherein als unfrei und unfair kritisiert.
Entsprechend harsch reagierte Lukaschenko auf Boykottaufrufe. Die Opposition, schimpfte er, sei eine Art Fünfte Kolonne, deren Auftraggeber außerhalb des Landes sitzen. Eine Opposition, die ihren Namen wirklich verdiente, würde um die Macht kämpfen.
Das indes hat aus deren Sicht derzeit keinen Sinn. Massenproteste gegen die Manipulation der Ergebnisse bei den Präsidentenwahlen im Dezember 2010 wurden von Sondereinheiten der Polizei rigoros aufgelöst, mehrere Herausforderer Lukaschenkos wurden wegen Anstiftung zu öffentlichen Unruhen zu Haftstrafen verurteilt. Wenngleich die meisten auch auf Druck der internationalen Öffentlichkeit inzwischen wieder freigelassen wurden, klagen die Opposition und ihre internationalen Unterstützer über eine weitere Verschlechterung der Lage für Lukaschenkos Gegner. Journalisten kritisieren, in Belarus herrsche ein Klima der Einschüchterung, jeder zivilgesellschaftliche Protest werde bereits im Ansatz gebrochen
In Westeuropa und den USA firmiert Lukaschenko daher nur als »letzter Diktator Europas«, während ihm ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung zugutehält, dass er das Land lange Zeit vor neoliberaler Schocktherapie und sozialen Abstürzen bewahrt hat. Der Europarat setzte Belarus' Mitgliedschaft schon vor Jahren aus, die EU verhängte mehrfach Sanktionen, darunter Einreiseverbote für Regierungsmitglieder, hohe Beamte, Juristen, Polizeigenerale und staatsnahe Unternehmer.
Lukaschenko selbst betont dagegen immer wieder, er wolle den Dialog mit dem Westen, beispielsweise im Rahmen des EU-Programms der Ostpartnerschaft, und lade zu Investitionen ein. Und auch in Brüssel und Berlin hütet man sich, die Drähte nach Minsk gänzlich zu kappen, denn Belarus ist wegen seiner Lage zwischen der EU und Russland politisch und ökonomisch von strategischer Bedeutung.
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