Grafogoge

Manfred Güllner / Der Leiter des Umfrageinstitutes Forsa hat etwas gegen die Grünen

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Nein, Manfred Güllner will die Grünen nicht »mit den Nazis vergleichen«. Doch in seinem neuen Buch erklärt der 1941 geborene Soziologe, dass Grüne und NSDAP dem »gleichen antimodernen Segment der Gesellschaft entstammten, einem radikalisierten Teil der deutschen Mittelschicht«. Nirgends sei in den letzten 30 Jahren die Wahlbeteiligung so sehr gesunken wie hierzulande. Die Grünen aber, deshalb zum Scheinriesen gewachsen, sähen darin »einen angeblichen Auftrag zum Umkrempeln der Politik« - und verprellten »massenhaft Wähler der unteren sozialen Schichten«. Daher gefährdeten sie den »zweiten Versuch, die Demokratie in Deutschland« zu etablieren.

Dass Güllner der Bildungsbürger- und Beamtenpartei vorwirft, die kleinen Leute zu ignorieren, ist inhaltlich putzig; dafür gäbe es stimmigere Adressaten. Zutreffend ist dagegen, dass die Lebensreformbewegung der Weimarer Zeit, die im heutigen grünen Milieu fortwirkt, gelegentlich ins Braune schillerte. Auch der Hinweis darauf, dass Deutschlands prominentester Vegetarier noch immer Adolf Hitler heißt, ist im Handgemenge legitim.

Ein solches Grünenbashing ist zuweilen sicher angebracht. Was Güllners Thesen in ein so merkwürdiges Licht rückt, ist indes sein Hauptberuf: Seit 1984 leitet er das Umfrageinstitut Forsa, das mit drei Konkurrenten den deutschen Markt beherrscht. Da gehört Neutralität zur Marke - was Güllner anderen gegenüber auch einzufordern pflegt. Mal erwirkte er gegen CDU-Vorwürfe, als SPD-Mitglied parteiisch zu sein, eine einstweilige Verfügung, mal wies er SPD-Kritik an einer vermeintlichen Einmischung in Parteispitzenbelange heftig zurück.

Nun aber lehnt er sich selbst so weit aus dem parteipolitischen Fenster wie kein anderer der Auguren. Jeder Politautor wünscht seinem Werk, es möge die öffentliche Debatte beeinflussen. Sollte dies dem neuen Güllner-Band vergönnt sein, könnte er hinterher die Resultate »messen«. Dann müsste man wohl einen neuen Namen für seine Tätigkeit erfinden. Vielleicht wäre »Grafogoge« ein geeigneter Begriff - aus »Demograf« und »Demagoge«.

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