- Kommentare
- Meine Sicht
Zocker und Abzocker
Klaus Joachim Herrmann über staatliche Erben Casanovas
Die Einführung einer Lotterie auch im Potsdam des Alten Fritz geht auf den venezianischen Abenteurer Giacomo Casanova zurück. Er war ein Glücksritter, wusste, wo und wie etwas zu holen ist. Einer seiner goldenen Tipps an gekrönte Häupter mit leeren Schatullen war die Auflegung einer Lotterie. Damit machten die Chefs richtig Geld und der Ratgeber mit kargen Prozenten noch so viel Gewinn, dass er vor giftigen Neidern fliehen musste.
Als Zocker nicht nur um die Gunst der Frauen, sondern auch um die Zuneigung der Glücksgöttin Fortuna war der Venezianer mit Mut, Geschick und einigem Leichtsinn unterwegs. Er war mal ganz oben, mal ganz unten. Mal war er reich und doch immer wieder auch ruiniert. Casanova wusste aus eigenem Erleben, wie viel Verluste auf einen Gewinn kommen - wer zockt, trifft eben unausweichlich auf einen anderen, der abzockt.
Die Verwunderung und Empörung, dass das Berliner Spielhallen-Gesetz nicht zieht, ist naiv. Der Mensch jagt nach dem Glück, die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist ihm da wurscht. Dass die Bank immer gewinnt, gilt aber nicht nur für Roulette und vorgeblich solide Geldhäuser, sondern auch für einarmige Banditen und anderes Betrugswerkzeug mit Gewinnverheißung. Der Unterschied zwischen privater und staatlicher Abzocke besteht nur in der angeblichen Zwecksetzung - Geld machen fürs eigene Wohlleben oder Gutes tun für das Gemeinwohl. Wie wär's: Verbot der Abzockerei oder wenigstens dem Staat das Glücksspielmonopol! Er zieht ja auch die Steuern und bei Weitem nicht nur welche fürs Vergnügen ein.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!