Die Hoffnung stirbt zuletzt

80. deutsche Meisterschaften in Sindelfingen / Auf dem Weg zu Olympia 2004 geht es schon jetzt um einen Platz im Kernteam

Die deutschen Amateurboxer, die mehr und mehr im Schatten der Profiszene stehen, wollen sich ab Donnerstag bis Sonnabend in Sindelfingen ins Gespräch bringen. Der dortige Glaspalast ist Schauplatz der 80. deutschen Meisterschaften. Dazu erwarten die Organisatoren 90 Boxer aus den 20 Landesverbänden des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV). Die Titelträger werden erstmals auch nur an drei statt bisher vier Wettkampftagen ermittelt. »Auch wir müssen sparen«, meinte DBV-Präsident Paul Forschbach. »Die Qualität wird durch die Straffung ganz bestimmt nicht leiden.«

Amateure des DBV fast in Versenkung verschwunden
Der DBV-Chef hofft »auf gutklassige Meisterschaften«, weiß aber nur allzu gut, dass die Messlatte einzig und allein das internationale Auftreten ist. In dieser Beziehung ist die DBV-Staffel Zug um Zug in der Versenkung verschwunden. Der einst in Europa dominierende deutsche Amateur-Boxsport - vor der Wende vor allem natürlich durch die DDR - spielt inzwischen kaum noch eine Rolle. Bei den EM 2002 in Perm gab es drei Medaillen (einmal Silber, zwei Mal Bronze); die WM 2001 endeten mit einmal Bronze, und auch beim olympischen Turnier 2000 in Sydney gab es eine Bronzemedaille. Doch bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt...
Sindelfingen spielt auf dem Weg in die ungewisse Box-Zukunft eine besondere Rolle. Nach den Titelkämpfen wird die so genannte Kernmannschaft des DBV für die Höhepunkte bis zum Jahr 2004 benannt, also für die WM im November 2003 in Bangkok und für die EM im März 2004 in Pula (Kroatien). Die EM gelten als Qualifikation für die Olympischen Spiele 2004 in Athen. Im Klartext: Die deutschen Amateurboxer stellen bereits in Sindelfingen die Weichen für Olympia. Wer einen Meistertitel gewinnt, dürfte sich zunächst einmal als Olympia-Kader empfohlen haben.
Nur ein kleiner Kreis wird in den Genuss der finanziell und sportlich lukrativen Sonderförderung mit Blick auf Olympia 2004 kommen. Dabei sind drei Plätze an Vizeeuropameister Lukas Wilaschek (Leverkusen/Halbmittel) sowie die beiden EM-Dritten Sebastian Zbik (Schwerin/ Welter) und Sebastian Köber (Frankfurt/ Oder/Superschwer), der auch Olympiadritter ist, so gut wie vergeben. »Aber auch sie haben keinen Freibrief und müssen in Sindelfingen ihre Klasse bestätigen«, sagt Bundestrainer Helmut Ranze.
Halbmittelgewichtler Wilaschek erwartet mit dem EM-Dritten im Weltergewicht, Sebastian Zbik (Schwerin), und dem Junioren-WM-Zweiten von 2000, Eduard Gutknecht (BC Gifhorn), harte Konkurrenz. Zbik ist eigens für diese Meisterschaft ins höhere Limit aufgerückt. »International werde ich wieder ins Weltergewicht zurückkehren«, kündigte er an.
Aber auch Superschwergewichtler Köber sieht sich ambitionierter Konkurrenz gegenüber. Der ins zweite Glied zurückgestufte WM-Dritte Witali Boot (BC Gifhorn) strebt seinem sechsten Titel in Folge an. Doch auch der letztjährige Vizemeister Kay Ahrendt (Demmin) ist zu beachten.

Ein Novum: Zwei Frauen boxen um den Meistertitel
In 10 der 12 Gewichtsklassen werden die Vorjahrsmeister erneut in den Ring steigen. Die meisten Teilnehmer starten im Welter-, Halbmittel- und Halbschwergewicht (je neun). Nur drei haben im Halbfliegengewicht - seit Jahren ein prekäres Limit im DBV - gemeldet.
Sindelfingen präsentiert noch ein Novum. Am Freitag steigen zwei Frauen zum ersten inoffiziellen Kampf um eine deutsche Amateur-Meisterschaft in den Ring: die Vizeeuropameisterin Dagmar Koch (Memmingen) und Petra Langenbrink (Lüneburg), beide seit Jahren ambitioniert, das deutsche Frauen-Boxen zu fördern.

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