Wieder einmal ist Prinz Ernst August von Hannover jetzt mit dem Versuch gescheitert, Immobilien und Kunstschätze im heutigen Sachsen-Anhalt rückübertragen zu bekommen, die bei der Bodenreform enteignet worden waren.
Im Kleinen Schloss von Blankenburg gibt es ein Museum. Fünf Räume in dem 1725 errichteten Wasserschloss, das einen verspielten Terrassengarten mit Bassins und Sandsteinfiguren überschaut, beschäftigen sich mit der Heiratspolitik der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, die lange Zeit in dem pittoresken Harzstädtchen residierten. In der Ausstellung geht es nicht nur um Familienstammbäume und die Brautschau der adligen Regenten, sondern, wie es ein Prospekt formuliert, auch um die »Auswirkungen ihrer Politik auf die Stadt Blankenburg«.
Noch immer sorgen die Ahnentafeln und Besitzurkunden der Herrscher bei Politikern und Bürgern der Kleinstadt für Verunsicherung und Ärger. Prinz Ernst August von Hannover, ein Nachfahre der braunschweigischen Herzöge, streitet seit Jahren um die Rückgabe von 10000 Hektar in der Umgebung Blankenburgs, um vier Immobilien, zu denen das Große und das Kleine Schloss in der Harzstadt gehören, sowie um zahlreiche Sakral- und Kunstgegenstände. Darunter befinden sich neben 201 Bildern sowie 148 Antiquitäten auch 46 historische Öfen.
Die Öfen bleiben für den Prinzen indes vorerst aus. Ernst August hat in dem wegen seiner Beharrlichkeit sehr langwierigen Verfahren erneut eine Niederlage einstecken müssen. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in Halle hat einem Zeitungsbericht zufolge einen Antrag auf Wiederaufnahme des Restitutionsverfahrens, bei dem es um Werte von rund 100 Millionen Euro gehen soll, abgelehnt. Es gebe keine neuen Dokumente, die eine Wiederaufnahme rechtfertigen.
Bei Ernst August, der die Spalten der Regenbogenpresse in seiner Eigenschaft als Ehemann Carolines von Monaco, wegen öffentlichen Wasserlassens an einem Expo-Pavillon, vor allem wegen seines jähen Temperaments füllt, dürfte die Entscheidung den Adrenalinspiegel steigen lassen. Unerwartet kommt der Bescheid aber nicht. Bereits 1998 hatte das Amt ebenso entschieden. Der folgende Rechtsstreit endete im Sommer 2000 mit einer Niederlage des heute 48-Jährigen vor dem Bundesverwaltungsgericht, das eine Revision für ein vorangegangenes Urteil des Magdeburger Verwaltungsgerichtes ablehnte. Angeblich neue Dokumente aus russischen Archiven, mit denen das Urteil angefochten werden sollte, stellten sich im Juli 2002 als Fälschung heraus.
Die Auseinandersetzung um das Welfen-Erbe ist - neben dem Streit um das sächsische Wettiner-Erbe, in dem derzeit ein erneuter Prozess in Dresden läuft - der spektakulärste Fall, bei dem sich Adelsfamilien auf juristischem Wege um eine Revision der mit der Bodenreform hergestellten Besitzverhältnisse in Ostdeutschland mühen. Allerdings sind viele Adelsfamilien auf weniger Aufsehen erregende Weise bereits wieder Grundbesitzer geworden. So seien die »Filetstücke« des brandenburgischen Nationalparks »Uckermärkische Seen« an zehn Vertreter des Hochadels, darunter Grafen zu Sayn-Wittgenstein und von Arnim, verkauft worden, konstatierte der Publizist Klaus Hart. In Sachsen-Anhalt sei ein Graf von Arnim »praktischerweise« Chef der für den Landverkauf zuständigen Treuhand-Nachfolgerin BVVG. Auch Ernst August hat nahe Blankenburg schon 1000 Hektar Wald erworben. Hart spricht von »Re-Feudalisierung« Ostdeutschlands.
Ernst Augusts Vorfahren hatten die Blankenburger Besitztümer während der Bodenreform verloren, in deren Verlauf auch der Großvater des »Prügelprinzen« enteignet wurde. Zur Begründung seiner Ansprüche auf Rückübertragung hatte der Enkel argumentiert, sein Großvater sei britischer Staatsbürger gewesen. Daher habe ein Enteignungsverbot für die sowjetische Besatzungsmacht bestanden. Das Verwaltungsgericht Magdeburg betonte jedoch, Ernst Augusts Vorfahre habe neben der britischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besessen. Letztere sei entscheidend dafür gewesen, dass das Enteignungsverbot nicht gegriffen habe.
Die jüngste Entscheidung des Landesamtes wird von Beobachtern als »endgültige Niederlage« des Prinzen bezeichnet. Ähnlich war indes bereits das Urteil vom Sommer 2000 kommentiert worden. Eine Karte hat der verhinderte Erbe noch im Ärmel: Beim Bundesverfassungsgericht ist eine letzte Beschwerde anhängig.
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