US-Außenminister Colin Powell legte am Mittwoch vor dem UN-Sicherheitsrat Erkenntnisse vor, die beweisen sollten: Irak verfügt entgegen seinen Beteuerungen über Massenvernichtungswaffen, hintergeht die UN-Waffeninspektoren und verstößt so vorsätzlich gegen die Resolution 1441 des Sicherheitsrates. Das wäre aus Sicht der USA ein Grund zum Angriff.
Die Präsentation, bei der Powell Mitschnitte verschiedener vorgeblich entlarvender Gespräche zwischen unbekannten irakischen Militärs zu Gehör brachte, nicht bekannte Quellen zitierte sowie Satellitenaufnahmen angeblich gefährlicher Waffenfabriken und Lager vorstellte, dauerte über 80 Minuten. Die Substanz war dünn. Pausenlose Fragen sollten darüber hinwegtäuschen, dass die USA nicht über Antworten verfügen. So blieb es bei der Behauptung: Saddam verfügt über B- und C-Waffen zum Teil aus mobilen Labors und Fertigungsstätten. Zudem hat er das Ziel, eine Atombombe zu bauen, nie aufgegeben. Bewusst täuschen irakische Dienste die Inspektoren.
Hinter Powell hatte CIA-Direktor Georg Tenet Platz genommen, um - wie US-Offizielle sagten - »dem ganzen Paket Glaubwürdigkeit« zu geben. Durch die Show sollten vor allem zurückhaltende Veto-Mächte wie Frankreich, Russland, China, aber auch Deutschland, dessen Außenminister Joschka Fischer die Sitzung leitete, von der Notwendigkeit eines Krieges überzeugt werden. Vor der Präsentation hieß es in Washington: Je nach Reaktion der UN-Delegierten wollen die USA entscheiden, ob sie sich um eine weitere Resolution des Sicherheitsrates zur Autorisierung eines Krieges bemühen.
Der bislang treueste US-Verbündete Großbritannien hat stets von der Existenz »unverkennbarer Beweise« gesprochen. Dabei ist es offenbar zu einer Panne gekommen. Die BBC meldete, der militärische Geheimdienst ihrer Majestät halte die von den USA behaupteten Verbindungen zwischen dem Netzwerk von Osama bin Laden und dem Regime in Bagdad für absurd. Die Positionen der im Irak herrschenden Baath-Partei stünden im Gegensatz zu den religiösen Ansichten Al Qaidas. Diese Analyse liege dem britischen Premier Tony Blair vor. Ähnliche Erkenntnisse lieferte der BND dem Berliner Kanzleramt.
Londons Außenminister Jack Straw bemühte sich um Schadensbegrenzung. Der Irak sorge für eine »freizügige Umgebung«, in der Al-Qaida-Mitglieder arbeiten könnten. Außerdem sei ausreichend bekannt, dass Bagdad »allgemein« den Terrorismus unterstütze. Auch in den USA hat es Streit zwischen der CIA und dem Pentagon gegeben, ob eine Al-Qaida-Kumpanei des Irak darstellbar sei. Anders als das Kriegsministerium beabsichtigte, streifte Powell diese Frage mangels Substanz nur relativ knapp.
Irak, dessen UN-Vertreter zur Sitzung zugelassen worden war, hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Der Berater des Präsidenten Saddam Hussein, Amir el Saadi, betonte bereits vorab, die USA könnten keine stichhaltigen Beweise vorlegen. Sollten sie dennoch darüber verfügen, hätten sie diese den UNO-Waffeninspektoren längst vorgelegt.
Deutschland nahm eine abwartende Haltung ein. »Eine direkte Auswertung wird wohl nicht funktionieren, da müssen die Experten ran«, sagte Außenminister Fischer und meinte damit offensichtlich weniger die im Auswärtigen Amt versammelten Diplomaten und BND-Analytiker. Diesen Part gedenkt Fischer den UN-Inspektoren um Hans Blix zu, denen man die notwendige Zeit für ihre Arbeit einräumen müsse. In Berlin betonte Bundeskanzler Gerhard Schröder, dass es keinen Grund gebe, die deutsche Position gegen den Krieg zu ändern. Fischer betonte das sinngemäß in New York.
Die arabischen Länder setzten ihre Bemühungen um eine Friedenslösung fort. Der für den 24. März geplante Gipfel der Arabischen Liga soll vorverlegt werden. Das Treffen soll von einer Sondersitzung der Außenminister am 16. Februar in Kairo vorbereitet werden. Ungeachtet der andauernden diplomatischen Beratungen setzte das Pentagon seinen Truppenaufmarsch fort. In der Region befinden sich inzwischen drei Flugzeugträger, ein vierter wird erwartet. Die Truppenpräsenz der USA wird zurzeit auf insgesamt 100000 Mann geschätzt, in den nächsten Wochen sollen es 180000 sein. Ab 15. Februar sollen die nördlichen Grenzgebiete Kuwaits zum Irak zum militärischen Sperrgebiet erklärt werden. Die britischen Streitkräfte bereiten sich angeblich auf eine dreijährige Besatzungszeit in Irak vor.Seiten 6 und 8