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- DIE FÜNF FÜR TWENS Von Öffentlich-Rechtlichen geschaßt/Jugendfernsehen jetzt bei RTL
ELF99-gibt's die denn noch?
Selbst die Frau in der Schlüsselausgabe des Hauses 2a auf dem Gelände des ehemaligen Fernsehfunks in Berlin-Adlershof schaut uns ganz entgeistert an: “ELF 99, ja gibt's die denn überhaupt noch?“ Ja, und ob.
Zwar gibt es den Deutschen Fernsehfunk nicht mehr, doch das populäre Jugendfernsehen existiert weiter. In Form der ELF 99 Medienproduktion und Vermarktung GmbH. Wichtigste Aufgabe: die Produktion von “ELF 99“. Seit. Beginn diesen Jahres baut das 120 Mann starke Team um Chefredakteur Georg Langerbeck täglich ein fünfundvierzigminütiges Jugendmagazin. Über die RTL plus-Frequenzen gelangt es in rund 20 Millionen Haushalte. Die Einschaltquoten liegen im westlichen Teil der Republik bei knapp acht Prozent. Im ehemaligen Sendegebiet des DFF gibt es noch keine verläßlichen Zahlen. Doch dürften sie hier keineswegs niedriger ausfallen, denn ELF 99 ist im Osten nicht erst seit der Wende ein bekanntes Markenzeichen für gute Jugendsendungen. Mit ihrer unkonventionellen Art der Präsentation von Menschen, Nachrichten und Musik stießen die Macherinnen einst nicht nur in der DDR in eine große Marktlücke. Auch -Zuschauer in Nähe der ehemaligen deutschdeutschen Grenzen waren begeistert und sahen in ELF 99 ein Programm, das durchaus neuen Wind in die bundesdeutsche Fernsehlandschaft bringen könnte.
Das bringt es- nun auch. Zwar im vielgeschmähten Privatfernsehen, doch die Öffentlich-Rechtlichen wollten es-nicht anders. Denn wo schon der Titel selbst stört, weil er eine Ost-Postleitzahl darstellt, da kann es wohl kaum ein Programm mit dem Slogan: „Die Störung hat
System“ geben. RTL .interessiert der Inhalt weniger. Nur der Erfolg, sprich: Einschaltquoten, zählen für den Kölner Privatsender.
Die Journalisten bestimmen nach wie vor selbst, was und vor allem wie sie über etwas berichten. „Wir sind ja so'ne Art selbstver r walteter Haufen“, so Georg Langerbeck. Der Chefredakteur, der „Opa“ (33 Jahre) unter den Mitarbeitern, hatte seit Beginn dieses Jahres nur selten die Möglichkeit, sich mit dem Inhalt der Sendungen auseinanderzusetzen. Viel gefragter war sein Talent als Organisator. Die Räume des ELF 99-Teams sind eine Oase inmitten der grauen Wüste des einstigen DFF-Geländes.
Ganz spurlos ging die große Abschaltaktion beim DFF an ELF 99 nicht vorbei. Nachrichtenleitungen wurden gekappt, die Töpfe in der Kantine blieben leer, der Heizer ward nicht mehr gesehen. Mittlerweile hat man die größten Probleme in den Griff gekriegt. Das kleine improvisierte Caf6 sorgt nicht nur
fürs leibliche Wohl, sondern dient auch zur Beruhigung der gestreßten Mitarbeiter. Das Team, in dem kaum einer älter 28 ist, blieb zum großen Teil, erhalten. Bemerkenswert, denn auch hier gab es Abwerber anderer Anstalten, die mit dem Vierfachen des derzeitigen Gehalts winkten.
Konzeptionell hat sich wenig geändert. Die größte Umstellung war von 2x100 Minuten Sendezeit pro Woche auf 5x40. Paula, Reizverschluß und Dixi bleiben dennoch feste Bestandteile. Ebenso will man auf die längeren Beiträge nicht verzichten. Keinesfalls soll der hochgesteckte journalistische und gestalterische Anspruch aufgegeben werden. Dies gilt ebenso für das zweite Standbein der GmbH: Die Auftragsproduktionen. Hier arbeitet man natürlich auch für die öffentlich-rechtlichen Anstalten. So erhält beispielsweise der ORB allwöchentlich die synchronisierte Fassung von „Countdown“ und der MDR hat Interesse an Reportagen angemeldet.
Die Chancen stehen also mehr als gut, daß ELF 99 erhalten bleibt. Dem Team bleibt eigentlich nur zu wünschen, daß die Sendungen bald auch im gesamten Gebiet der Bundesrepublik zu sehen sind. Dann fragt vielleicht nicht einmal mehr die Frau aus dem Haus 2a in Berlin-Adlershof: „Gibt's, die überhaupt noch?“
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