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  • Wirtschaft und Umwelt
  • Maschinenbauer der Lauchhammerwerk AG wehren sich gegen Fusion mit TAKRAF-Holding:

Bei Ausverkauf Aktionen „wie an der Küste“

  • JÖRG STAUDE
  • Lesedauer: 4 Min.

Der derzeitige Personalchef der TAKRAF, Dr. Horst Föhr, tritt Anfang Mai die Nachfolge seines Treuhand-Ressortkollegen Dr. Alexander Koch an. Föhr, in den 70er Jahren u.a. Leiter der Abteilung Mitbestimmung bei der IG Bergbau und Energie, scheint inzwischen seine Schularbeiten für den Treuhand-Job gemacht zu haben. In den zwei Jahren im Osten habe auch er neue Erkenntnisse gewonnen, vor allem die, daß Privatisierung die beste Sanierung sei beschwor er die Belegschaft der Schwermaschinenbau Lauchhammerwerk AG bei deren Betriebsversammlung vorigen Donnerstag.

Die Lausitzer hörten die Botschaft wohl, nur verstanden sie Föhr anders, als der es wollte. Die Maschinenbauer wollen als eigenständiges Unternehmen bestehen bleiben, auch so privatisiert werden. Die TAKRAF-Pläne dagegen sehen vor, die Bereiche Projektierung, Konstruktion und Marketing des Kerngeschäfts Großgerätebau unter dem Dach der Holding zu konzentrieren. Mit diesem sogenannten Asset-Verkauf verbliebe in Lauchhammer im wesentlichen nur noch die reine Stahlbaufertigung, zuzüglich der Bereiche Sanitär, Gießerei und Kunstguß, die früher oder später separat verkauft werden.

Branchenkenner vermuten, daß Lauchhammer von TAKRAF zur Neuprofilierung ausgesogen und

dann als unrentabel abgestoßen oder stillgelegt werden soll. Mit dem Anschluß an die Holding gehen auch Rücklagen der Lauchhammerwerk AG, die 45 Millionen DM betragen sollen, an die „Mutter“ über. Für eine modernere Fertigung wurden und werden keine Investitionen getätigt, das letzte waren 1989 neue NC-Maschinen. Geht diese Entwicklung so fort, ist der Industriestandort im Brandenburger Süden früher oder später zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Mit dem Asset-Deal beabsichtigt die noch der Treuhand gehörende TAKRAF offensichtlich, sich langfristig zu einer Engineering-Firma umzugestalten. Auf diese Weise soll den zunehmenden Kosten- und Preisdruck auf dem Weltmarkt begegnet werden. Derzeit entstehe eine Bandanlage für 48 Millionen DM komplett in Polen, darunter anspruchsvoller Maschinenbau wie Antriebsstationen, die eigentlich in Lauchhammer produziert werden müßten. Die unmittelbare Fertigung gehe immer mehr in Billiglohnländern wie Polen und die CSFR oder an asiatische Länder wie Thailand oder China, die im Gegenzug für Großaufträge verlangen, die einheimische Industrie bei der Herstellung einzubeziehen, bestätigte Föhr auf der Betriebsversammlung. Er lehnte es ab, langfristige Arbeitsplatzzusagen über die Jahre 1992/93 hinaus zu geben, konnte Befürchtungen, daß dann

nochmal 500 Stahlbauer entlassen werden könnten, nichts entgegnen. Das Lauchhammerwerk allein ist für ihn nicht überlebensfähig.

Die Maschinenbauer hielten dem entgegen, daß das Werk 85 bis 95 Prozent seiner Aufträge selbst an Land zieht. Das Kerngeschäft - der Bau von Tagebau-Ausrüstungen befindet sich in einer guten Geschäftslage. Für 1992 sind Leistungen von 120 Millionen DM vorgesehen, die schon zu zwei Dritteln fest gebucht sind. Weitere Großaufträge werden verhandelt. Die Fusion mit der defizitären Holding in Leipzig würde für Lauchhammer einen .nicht wieder gutzumachenden Aderlaß in dieser Notstandsregion bedeuten. „Wir haben Mitte 1990 vorausgesagt, was heute eingetreten ist: Die Kohle baut ab, wir bauen ab - und die Nachfolgeindustrien kommen nicht“, umriß Betriebsratsvorsitzender Volkmar Hildebrand vor den Kollegen die prekäre Lage.

Im Lauchhammerwerk waren Anfang 1991 noch 3 000 Mitarbeiter beschäftigt. Für Mitte dieses Jahres wird die Zahl von rund 1 000 im Großgeräte-Kerngeschäft angestrebt. Rund 330 Kollegen werden bei Sanitär, der einstigen „Badewanne“, sowie in Gießerei und Kunstguß angestellt sein. Bis Ende Juni soll auf jeden Fall noch 125 Stahlbauern gekündigt werden. Hier wird der Betriebsrat jedoch wegen der unklaren Lage ge-

gen jede einzelne Kündigung Widerspruch einlegen, kündigte Hildebrand an.

Ein Argument von Föhr kann der Betriebsrat noch nicht so recht entkräften. Die vorhandenen Käuferinteressenten für die TAKRAF wollen den Maschinen- und Anlagenbau von Leipzig und Lauchhammmer nur zusammen übernehmen, für ein Unternehmen allein gebe es keinen Käufer, so der Personalchef. Außer von einem etwas ominösen Australier weiß die Belegschaft von keinem Investor, der das Lauchhammerwerk allein würde haben wollen - allerdings ist der Betriebsrat bislang von allen Privatisierungsverhandlungen rigoros ausgeschlossen worden.

Der Asset-Verkauf sollte ursprünglich am Dienstag voriger Woche im Treuhandverwaltungsrat abgesegnet werden. Dazu kam es aber nicht. Entweder aus Zeitgründen - es wurde über die Ostsee-Werften verhandelt - oder weil die TAKRAF-Holding den Antrag zurückzog und inzwischen um ein Vierteljahr verschob. Der Betriebsrat in Lauchhammer hatte zuvor schon ein Rechtsanwaltsbüro in Frankfurt/Main beauftragt, bei der Treuhand die Abspaltung des Werks von der Holding zu beantragen. Für den Fall, daß der Asset-Deal aufrechterhalten wird, kündigte Betriebsratschef Hildebrand schon Aktionen der Maschinenbauer wie „jene an der Küste“ an.

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