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  • Kultur
  • Frank Zappas „Yellow Shark“ bei den Berliner Festwochen

Ein gelber Hai mit Zahnausfall

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Revolution findet im Saale statt; Programmheft 14 DM. Auf diese Kurzformel ließe sich das Opus „The Yellow Shark“ (Der gelbe Hai) des einstigen Rock-Rebellen Frank Zappa bringen, das vom Frankfurter Ensemble Modern zusammen mit der kanadischen Ballett-Gruppe „La La La Human Steps“ am Dienstag in der Berliner Philharmonie aufgeführt wurde. Was vor 25 Jahren noch (musikalisch) revolutionär war eine überschäumende Mischung aus Rock, Free Jazz, E-Musik-Avantgarde -, regt heute auch im klassischen Konzertsaal nur noch das Abonnementspublikum auf.

Zappa selbst bekamen die Berliner gar nicht zu sehen. Der Komponist und (Playback-)Interpret mußte, wie schon am zweiten Abend in Frankfurt (Main), dem Konzertsaal wegen ernsthafter Er-

krankung fernbleiben. Seine Tochter Moon Zappa teilte dies zu Beginn dem sichtlich enttäuschten Publikum mit. Viel mehr als einen Gelegenheitsdirigenten mit Narrenkappe hätte man allerdings ohnehin nicht an ihm gehabt. Die zwei von Zappa selbst auf seinem Synclavier eingespielten Stücke liefen auch in Frankfurt aus der Konserve.

Das Feld gehörte also ganz den Musikern des Ensemble Modern unter Leitung von Peter Rundel. Und die behaupteten das Feld so souverän, daß man sich zuweilen fragte, wieso Zappa seine Synclavierstücke für unspielbar hielt. Manches - etwa die 1967 für Zappas legendäre Mothers Of Invention geschriebenen Dog Breath Variations und Uncle Meat - wirkte in der Neufassung für das Ensemble Modern beinahe etwas glatt. An-

dere Stücke waren so offensichtlich konstruiert, daß Langeweile aufkam.

An den Musikern indes lag das nicht. Da, wo der Komponist Zappa zu seinen Wurzeln als universeller Welt- und Musikverscheißerer zurückkehrte, wurde es sehr lebendig. Grandios beispielsweise die Parodie auf die US-Einwanderungsformalitäten. Die Verlesung von einzelnen Fragen aus dem Formular (Pianist Hermann Kretzschmar) wurde kommentiert von einer wilden Melange aus schmissigen Schlagerzitaten und Versatzstücken aus früheren Zappa-Kompositionen, kaum von einem Auftritt der alten Mothers Of Invention zu unterscheiden. Auch die orchestrierte Fassung des Be-Bop Tango wurde mit jenem etwas bizarren Humor gespielt, der für Zappa typisch ist. Das Pu-

blikum im ausverkauften Saal tobte.

Etwas abgehoben von der ohnehin nicht allzu deutlichen musikalischen Dramaturgie des Abends die beiden Auftritte der Ballett-Truppe. Ihre Choreographie war von einer atemberaubenden Akrobatik. Rätselhaft, wie vor allem die Tänzerinnen die nahezu ununterbrochene Aneinanderreihung des zwei- oder dreifachen Wurf-Axel auf dem Trockenen (Landung meist liegend) ohne Prellung überstehen. Einen tieferen Sinn sucht man in den Tänzen wie in der Musik von Frank Zappa aber wohl vergeblich.

Alles in allem blieb der Gelbe Hai doch einiges an Biß schuldig. Gegenüber dem „Mud Shark“ (Modder-Hai) von 1971 litt er deutlich an Zahnausfall.

STEFFEN SCHMIDT

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