Freispruch vom Vorwurf des illegalen Einschleusens

Gericht: Weder Motiv noch Vorsatz/Berufung angekündigt

  • Reimar Paul, Göttingen
  • Lesedauer: 1 Min.
Die langjährige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Göttingen, Eva Tichauer Moritz, ist vom Amtsgericht Göttingen vom Vorwurf des unerlaubten Einschleusens von Ausländern freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte die 58-Jährige außerdem wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz und Beihilfe zur Urkundenfälschung angeklagt.
Laut Anklage hatte Frau Tichauer Moritz 1996 und 1998 in vier Fällen Einwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion zu Unrecht eine jüdische Abstammung bescheinigt und ihnen damit zu einem Aufenthaltsrecht in Deutschland verholfen. Von ihnen vorgelegte Dokumente stellten sich im Nachhinein teilweise als gefälscht heraus. Eine vorsätzliche Falschbeurkundung sei nicht nachzuweisen gewesen, konstatierte Richterin Sandra Bleckmann in ihrer Urteilsbegründung. Auch erkennbare Motive habe die Beschuldigte nicht gehabt. In zwei Fällen seien die Fälschungen nicht ohne weiteres ersichtlich gewesen, in einem dritten Fall habe dem Gericht die Orginalurkunde gar nicht zur Bewertung vorgelegen. Die Richterin verwies darauf, dass Tichauer Moritz in einem weiteren Fall bei der Prüfung der Dokumente Zweifel gehabt und diese von sich aus den Behörden gemeldet habe. Hintergrund der Vorwürfe ist ein Erlass der niedersächsischen Landesregierung, wonach die Ausländerämter die Jüdischen Gemeinden um Hilfe bitten sollten, um zu prüfen, ob Einwandererungswillige jüdischen Glaubens sind. Sie können in Deutschland Bleiberecht erhalten. Staatsanwalt Olaf Bruns hatte gefordert, Tichauer Moritz, die von 1994 bis 2001 Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Göttingen war, zu einer Geldstrafe von 4500 Euro zu verurteilen. Sie hätte Fälschungen in den Urkunden erkennen müssen, sagte er. Noch im Gerichtssaal kündigte Bruns Berufung gegen den Freispruch an.

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