- Politik
- MdK-Aufsichtsrat hob ab und beschloß zu Bischofferode per 31.12.:
Feierabend für Kalikumpel
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Berlin / Frankfurt/Main (ND-Heihg). Am Freitag beschloß der Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Kali AG (MdK), daß die Produktion in Bischofferode am 31. Dezember 1993 endet. Das gaben Aufsichtsratsvorsitzender Prof. Ulrich Steger und Vorstandsvorsitzender Friedhelm Teusch am Freitagabend im Berliner Treuhandsitz bekannt. Ausstehende EG-Fusionsprüfungen sowie andere juristische Verfahren könnten daran nichts ändern. Gegen die erwartete Entscheidung hatten am Vormittag rund 600 Bischofferoder Kumpel in Frankfurt protestiert. Der Betriebsrat der Kaligrube teilte am Freitagabend mit, daß der Stillegungsbeschluß nicht hingenommen wird. Die Wirksamkeit des Entscheids werde gerichtlich überprüft. Nicht dem Betriebsrat sondern dem Aufsichtsrat sei „mangelnde Rechtstreue“ vorzuwerfen.
„Dabei bereiteten die Herrschaf tep vor der Tür keinerlei Probleme“, meinte eine Dame von der Direktion des „Sheraton“ in Frankfurt, wo die Kumpel demonstrierten. Auch die Polizei, die kräftig in Bereitschaft stand, hatte nichts zu tun. Alle erprobten Versu-
che, die Kumpel zu kriminalisieren, hatten in Frankfurt versagt. Der stellvertretende Betriebsratschef Gerhard Jüttemann war denn auch zufrieden. „Obwohl Arbeitstag ist, kamen viele Metaller und Kollegen von der IG Medien.“ Die Polizei schätzt deren Anzahl
auf 500. Vertreter von Solidaritätskomitees sowie Gregor Gysi, der PDS-Bundestagsgruppenchef, protestierten mit gegen den Sozialabbau durch Kanzlerpartei und Konzerne. Bündnis 90/Die Grünen hegten den Verdacht unlauterer wirtschaftspolitischer Machenschaften und solidarisieren sich mit den Bergleuten.
Jüttemann, der normalerweise für die Kollegen im Aufsichtsrat sitzt, schilderte seine „auf Mafia-Art betriebene“ Ausladung aus diesem Gremium. „Noch am Bus wollte man mir nicht sagen, wohin wir gebracht werden sollen.“ Während er sich weigerte, mußte Steger (Ex-SPD-Minister in Hessen) einer Gerichtsvollzieherin den Empfang einer Einstweiligen Verfügung
quittieren. Das Arbeitsgericht Eisenach, Außenstelle Mühlhausen, hatte unlängst „dem Antrag auf Einrichtung einer Einigungsstelle“ stattgegeben. Mittels Interessenausgleich hoffen die Kumpel, so aus dem Fusionsvertrag zwischen MdK und Kali & Salz entlassen zu werden. Der jüngste richterliche Entscheid bestimmt, daß der Arbeitgeber bis zum Interessenausgleich alles zu unterlassen hat, das einer Betriebsänderung gleichkommt. Auch Kündigungen. Dazu Steger: „Bis auf wenige Ausnahmen“ werde man den „juristischen Bruch des Arbeitsvertrages“ tolerieren und über Gräben der Vergangenheit, „die Hand reichen“. (Kommentar Seite 2)
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