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»Zeichen gegen die Hoffnungslosigkeit«

Helge Löw: WFD setzt auf friedliche Konfliktlösung

  • Lesedauer: 3 Min.
Die 74-jährige pensionierte Lehrerin, die viele Jahre im Nahen Osten lebte, ist Mitarbeiterin im Vorstand des Weltfriedensdienstes (WFD).
ND: Der Nahe Osten zieht sich wie ein roter Faden durch Ihre Biografie. Wie kam es dazu?
Löw: Eigentlich mehr oder wenig zufällig. Ich habe mich schon früh in einer kirchlichen Gruppe engagiert, die in Ländern der so genannten Dritten Welt arbeitete. Ab 1960 habe ich als Mitglied dieser Organisation fünf Jahre in einem Entwicklungsprojekt der griechisch-katholischen Kirche im Süden Jordaniens mitgearbeitet. Unsere Zielgruppe, Frauen und Kinder, war jedoch nicht religiös definiert. Es ging um Bildungsarbeit und um einkommensschaffende Maßnahmen. Da die Frauen dort traditionell Stickereien herstellen, haben wir ihnen geholfen, eine Genossenschaft aufzubauen und den Verkauf der Stickereien zu organisieren.

Wann kamen Sie in Kontakt zum Weltfriedensdienst (WFD)?
Im Anschluss an einen Kriseneinsatz anlässlich des so genannten Schwarzen Septembers (1970) in Jordanien. Ich habe damals zuerst beim Deutschen Roten Kreuz in einem Notlazarett und anschließend bei Terre des Hommes in einem palästinensischen Flüchtlingslager im Norden Jordaniens mitgearbeitet - bis das Vorrücken der jordanischen Armee den Aufenthalt des Teams dort unmöglich machte. Ich kehrte nach Deutschland zurück und arbeitete in Hamburg wieder in meinem Beruf als Lehrerin. In dieser Zeit erfuhr ich, dass sich der WFD in den besetzten Gebieten in Palästina engagierte. Als dann 1979 eine auf 18 Monate befristete Vertretungsstelle in der Zentrale in Berlin zu besetzen war, die unter anderem die Betreuung der Palästinaarbeit beinhaltete, bewarb ich mich darum und bin seitdem beim WFD. Seit meinem Ausstieg aus dem Berufsleben 1993 arbeite ich auch im Vorstand mit.

Wie schätzen Sie die Arbeit des WFD-Projektes »Bücherei auf Rädern für Gewaltfreiheit und Frieden« ein?
Es ist eine sehr schwierige Arbeit und sie ist ganz wichtig. 2001 habe ich selbst erlebt, wie die bereits 1985 von Nafez Assaily und seinem Zentrum für das Studium von Gewaltfreiheit gegründete »Bücherei auf Rädern« zu einer behelfsmäßigen Schule für Beduinenkinder fuhr und dort Bücher verteilte, die Gewaltlosigkeit zum Thema hatten, und wie sich die Kinder darüber freuten. Aber dies ist heute nicht mehr möglich, weil dieses Gebiet - wie auch viele andere Gebiete und Dörfer des Westjordanlands - kaum noch zugänglich ist. Trotzdem geht die Arbeit in begrenztem Rahmen weiter. Ich finde es wunderbar, dass mit der Bücherei versucht wird gegenzusteuern, dass friedliche Akzente gesetzt werden, auch wenn dies zunächst nur in kleinem Rahmen passiert. Es ist extrem wichtig, die Kinder für Alternativen zur Gewalt als Konfliktlösungsmittel zu sensibilisieren.

Welchen Auftrag hat die Friedensfachkraft, die der WFD demnächst nach Palästina entsendet?
Sie soll vorwiegend mit Jugendlichen arbeiten. Das Hauptziel besteht darin, junge Palästinenserinnen und Palästinenser zu Multiplikatoren gewaltfreier Kommunikation und Konfliktlösung auszubilden, die der Überzeugung sind, dass Konflikte ohne Gewalt gelöst werden können, und die bereit und in der Lage sind, dies an andere Jugendliche etwa in Rollenspielen weiterzugeben. Dies setzt natürlich ein intensives Training voraus. Die Jugendlichen sollen dabei weitgehend ihre Aktivitäten selbst bestimmen, zum Beispiel wenn sie mit Kamera und Video ihre eigene Situation dokumentieren oder wenn sie sich Kenntnisse über Menschen- und Kinderrechte erarbeiten, und erst recht, wenn sie in Rollenspielen gewaltfreie Konfliktlösungsmuster erproben.

Das WFD-Projekt - ein Zeichen gegen die verbreitete Hoffnungslosigkeit im Nahost-Konflikt?
Ja. Ein sehr wichtiges Zeichen.

Fragen: Martin Ling


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