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  • Wirtschaft und Umwelt
  • Roß lauer Elbe-Werft trotz Auftragsloch verkauft / Russische Reederei aus dem Rennen

Aber Schiffbau nach 128 Jahren zu Ende

  • KLAUS-DIETER STEFAN
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach langem Zittern und Zagen war Mitte letzter Woche der „Deal“ endlich perfekt: Die Roßlauer Schiffswerft GmbH wurde privatisiert. Neuer Eigentümer ist die Petram Stahl- und Wasserbau Werft KG Brake/Bremerhaven, die den einzigen Mitbewerber, die russische Reederei Litvinko (Moskau), aus dem Rennen warf.

Die Übernahme beendet ein monatelanges Tauziehen, bei dem der 128 Jahre alte Betrieb in Sachsen-Anhalt zeitweise von Schließung bedroht war. Zu DDR-Zeiten beschäftigte die Werft, damals fest im UdSSR-Geschäft, 1 130 Mitarbeiter. Mit der „Wende“ schrumpfte die Helling-Mannschaft auf derzeit 350 Frauen und Männer, die in den letzten Wochen fast ausnahmslos in Kurzarbeit waren. Das Auftragsvolumen, so

ein Treuhandsprecher kurz vor dem Verkauf, sei „gegenwärtig nicht sehr gut“. Mit dem Ausfall der einstigen Hauptkunden, den Sowjet-Reedereien, stürzten die Schiffbauer in ein Auftragsloch. Zwar steht seit Herbst vergangenen Jahres ein lukrativer Auftrag aus Kamerun über Saugbagger im Werte von etwa 16 Millionen Mark ins Haus, für den die Berliner Treuhandanstalt entgegen ihren Gepflogenheiten sogar eine „Vertragserfüllungsgarantie“ abgab, ob dies allerdings ins künftige Profil der Werft paßt, ist ungewiß.

Denn in Roßlau wird schon seit einiger Zeit darüber geredet, daß die Marktchancen der Werft in Zukunft wohl nicht mehr im Schiffsbereich liegen werden. Die Binnenschifferei als Abnehmer hat bereits Überkapazitäten und im

scharfen Wettbewerb beim Gütertransport Ertragseinbu-ßen hinzunehmen. Von den neuen Geschäftsführern Dieter Petram und Heinrich Rönner - letzterer von einem Bremerhavener Stahlbauunternehmen - war jetzt zu hören, daß sie in den nächsten Jahren 18 Millionen Mark investieren wollen. Vorrangig will man damit moderne Fertigungshallen errichten, aus denen künftig Förderanlagen und Behälter ihren Weg auf den Markt nehmen sollen. Neu-Eigner Petram hatte letztes Jahr schon die mit Schiffbauaufträgen bis 1995 voll ausgelastete Boitzenburger Binnenwerft erworben.

Die Stimmung in der Elbewerft schätzt Betriebsrat Michael Harr als „zwiespältig“ ein. Daß die von Schließung bedrohte Werft nicht „den Fluß runter ging“, wie schon

viele kleine und mittlere Betriebe im deutschen Osten, ist ein Hoffnungszeichen, auch wenn es in Roßlau künftig kaum noch festliche Schiffstaufen geben wird. Aber von den 350 Arbeitsplätzen werden letztlich wohl nur 200 erhalten bleiben. Vor allem in dem für ein mittelständisches Unternehmen noch überdimensionierten Verwaltungsbereich stehen Kündigungen an.

Mit dem „Klar Schiff“ endet in einer der bedeutendsten Binnenwerften Deutschlands ein langes Kapitel. 1866 war sie aus einer Maschinenfabrik der Gebrüder Sachsenbeg hervorgegangen, und 1868 lief hier als erstes Eigenprodukt der Frachtdampfer „Hermann“ vom Stapel. Nun beginnt ein neues Kapitel - ein Hoffnungslauf.

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