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Arno Dagobert Funke, Philip Marlowe und andere

  • LOTHAR KUSCHE
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist, wie alle Fernseher, Radiohörer und Zeitungsleser wissen, den kriminalpolizeilichen Organen nach zwei Jahren gelungen, jenen Mann festzunehmen, der Karstadt erpreßte. Ein überraschender Erfolg der Polizei. Wer hatte noch an einen solchen Effekt geglaubt? Die Polizei selber wahrscheinlich nicht. Eine dermaßen rasche Aufklärung (man denke - vergleichsweise - daran, daß die Sache mit dem historischen Londoner Bauch-Aufschlitzer Jack the Ripper immer noch ein bißchen im Dunkeln liegt), eine dermaßen rasche Aufklärung dürfte möglicherweise gar nicht mal im Interesse der beteiligten Spürhunde liegen. Wer einmal in einer SOKO tätig ist, möchte gern auf Lebenszeit in dieser SOKO tätig bleiben; dem liegt ein gewisses Beamten-Prinzip zugrunde.

Man könnte sich vorstellen, daß die Dagobert-Jäger, nachdem sie den Hasen in der Falle haben, sich melancholisch die Jäger-Haare raufen und den Seufzer tun: „Was denn nun? Sollen wir schon wieder was Neues anfangen?“ Im Lauf der Zeit gewöhnt man sich an alles Mögliche; mein alter Freund Jens ging fünfzehn Jahre lang jeden Sonntag angeln, obwohl er noch nie einen Fisch gefangen hatte.

Michael Daleki ist Chef-Ermittler auch in dieser Sache, hat auf der FBI-Akademie studiert (vermutlich Kriminalistik) und ist, wie ich in der Zeitung lese, „assoziiertes Mitglied des US-Bundeskriminalamtes, Da-

gobert war sein bisher größter Fall“ Vielleicht auch sein zeitaufwendigster. Herr Daleki ist nicht nur assoziiertes Mitglied, sondern auch gelernter Mineralöl-Kaufmann, so daß man sich um seine Zukunft keine Sorgen machen muß.

Irgendwann, irgendwo wird es schon klappen.

Genügend Mitarbeiter waren aktiv Bei der Dagobert-Fahndung verfolgten fünfzehn Mann „über 3 000 Spuren, davon 1 300 Hinweise auf Personen“ - das sind außerordentlich imponierende Hinweise auf die verzwickte Arbeit der Kriminalpolizei, von der sich der steuerzahlende Laie natürlich überhaupt keinen Begriff machen kann.

Angenommen, ein detektivischer Solist wie beispielsweise Philip Marlowe (bekannt nur aus der Literatur, in die ihn Raymond Chandler eingepflanzt hat) sei mit dieser Karstadt-Werbe-Schau und den aus ihr folgenden Verwicklungen betraut worden. Wäre er dem Arno Funke auf die Spur gekommen? Eine offene Frage. Indes, Marlowes Unkosten lägen bedeutend niedriger als jene der staatlich approbierten Wünschelrutengänger. Aber fairerweise muß man darauf hinweisen, daß ein einsamer Marlowe es insofern leicht gehabt hätte, als ein einzelner Schnüffler nicht so oft über seine eigenen Beine stolpern kann wie mehr als ein Dutzend amtlicher Kollegen, denen ja zum Stolpern weitaus mehr Beine zur Verfügung stehen. Natürlich sehen dreißig Augen mehr

als zwei; es fragt sich bloß, wo sie hinblicken und was sie da sehen.

Einer von diesen Experten hatte das Objekt der Fahndung schon fest im Blick, guckte aber nicht nach unten, rutschte demzufolge auf einem Häufchen Hundedreck aus, und schwuppdiwupp - war Dagobert verschwunden; vielleicht hatte er Beilos Kot selber dort als sogenannte Bullen-Falle plaziert? Der Vorgang erinnert deutlich an Mark Twains berühmte Humoreske „Der gestohlene weiße Elefant“ - als die Spezialisten das lange und aufwendig gesuchte Tier endlich verhungert aufgefunden haben, resümiert der Auftraggeber: „Meine Auslagen für die Detektive betrugen 240 000 Dollar.“ Der ominöse Dagobert soll Karstadt um 500 000 Mark erleichtert haben, was den Kaufhaus-Konzern wahrscheinlich nicht direkt an den Rand der Pleite gebracht haben dürfte, wohingegen die Dingfestmachung des Erpressers vermutlich zehnmal soviel Geld kostet (die Endabrechnung steht noch aus).

Natürlich sind ausgebildete Fachleute nicht billig. Von einem berichteten S. Natz und C. Schwager in der „Berliner Zeitung“ “... Von ihrem Fenster aus beobachtet die Polizei, wie ein Mann von einem Polizisten an die Hauswand gepreßt wird. ,Hat mal jemand *ne Acht?' ruft der Beamte. Unmittelbar danach kommt ein zweiter Fahnder mit Handschellen...“ Das nennt man Teamwork: einer preßt an die

Wand, einer kommt mit Handschellen; vielleicht hat er sie gerade in seiner Stullenbüchse gefunden, man kann ja nicht alles immerzu in der Hosentasche bereithalten.

Vielleicht erinnern Sie sich an den Fall jenes verschwundenen Mannes, der im Verdacht stand, seiner Frau ein Leid getan zu haben. Die Frau oder das, was von ihr übrig sein mochte, blieb unauffindbar. Die Polizei entfaltete eine sogenannte fieberhafte Tätigkeit und blieb erfolglos; man weiß ja, wie das bei Fieber-Anfällen manchmal ist: der davon Befallene rast aktiv durch die Gegend und bewirkt nichts.

Nach mehrmaligen Durchsuchungen der betreffenden bzw. betroffenen Wohnung entdeckten die aufmerksamen Beamten die Leiche der unglücklichen Frau; der Mörder hatte sie in einem großen Karton versteckt („Vorsicht, Fernsehgerät! Nicht stürzen!“), und dieser Karton stand auf dem Balkon der wiederholt durchstöberten Wohnung. Herrschaften, wer soll denn auch mit solchen infamen Tricks rechnen! Nicht einmal der listige Arno Funke hätte sich als Dagobert in einer Schachtel der Heimelektronik verborgen.

Na, nun haben sie ihn ja aufgestöbert - merkwürdigerweise in einem sehr auffälligen Auto mit einer sehr auffälligen Autonummer. Egal: es war endlich - der echte Dagobert!

Falls es nicht der falsche war.

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