Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Was Heinz Junge dem „Spiegel“ sagte - und was nicht

Sachsenhausen-Häftling zu Unwahrheiten und Entstellungen

  • Lesedauer: 3 Min.

In einer alarmierenden Meldung berichtete die Sprecherin der Tagesthemen der ARD am 10. 5. 94 - im Tone höchster Entrüstung - von einer Verwendung von SS-Funktionären bei der Staatssicherheit und in anderen Bereichen der DDR. Der Spiegel vom 9 5. 94, der kooperativ „mitrecherchiert“ hatte, zählt eine Reihe von nichtbelegten pauschalen Behauptungen auf, die unsere Gemeinschaft aber nicht berühren. Zuvor gab es Telefonate und drei Besuche mit Optik von Berlin nach Dortmund, um uns eine wichtige Entdeckung zu offenbaren: SS-Mann Bärwald habe im KZ Verbrechen begangen!

Ich konnte nur bestätigen, daß der SS-Mann Helmut Bärwald im Konzentrationslager Sachsenhausen als Blockführer zum Kommandanturstab ?“gehörte. Das ständige „Personal“, vom Kommandanten ganz oben, ein Oberführer, Oberst, bis ganz unten zum Rottenführer, gleich Gefreiter der SS, bildeten diesen Kommandanturstab und waren für alle Verbrechen im KZ verantwortlich. Kollektiv, auch Rottenführer Bärwald.

Nach dem Aufwand, mit dem die Spiegel- und ARD-Journalisten der Sache Bärwald nachgingen, konnten wir annehmen, daß es über Bärwald Kenntnisse von strafbaren Handlungen im KZ gab, die unserem Komitee in Jahrzehnten und bei der Befragung von mehr als tausend Häftlingen entgangen waren. Irrtum, in langem Gefrage sollte ich Verbrechen aus dem KZ nennen, obwohl ich betonte, daß mir außer der Zugehörigkeit Bärwalds zum Kommandanturstab nichts bekannt sei.

Aus Halbsätzen aus dem Zusammenhang wie: „Der steht nicht umsonst auf den Fahndungslisten“ (Spiegel), und einem (ARD) mir zugedichteten Wunsch: „Erst heute kann Heinz Junge damit rechnen, daß seine Peiniger vor Gericht kommen“, wird doch noch eine undeutliche Aussage.

Unsere Peiniger und die Mörder unserer Kameraden sind in den Jahren 1949 bis etwa 1978, so sie aufgespürt werden konnten, alle vor Gericht gestellt worden, in fast 20 Prozessen im ganzen Bundesgebiet. Es ging uns nicht um Rache, sondern um die öffentliche Aufklärung der Verbrechen in Sachsenhausen. Das Sachsenhausenkomitee der BRD und die Staatsanwaltschaft in Köln hatten eine Liste der Namen von 577 Personen zusammengestellt, die irgendwie im KZ Sachsenhausen tätig geworden waren: SS-Leute, Gestapo u.a. Diese Listen wurden den ehemaligen Häftlingen zugeschickt, ihre Kenntnisse, auch über Verbrechen der Personen, der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Das steht ausdrücklich in dem Anschreiben. Spiegel und Tagesthemen machen daraus eine offizielle Fahndung und behaupten, die BRD habe bei der DDR um Amtshilfe gebeten. Diese Unwahrheit soll herhalten, um der Stasi in die Schuhe zu schieben, sie hätte den SS-Mann Bärwald beschützt, um ihn irgendwann gebrauchen zu können.

Wahr ist, daß Helmut Bärwald als „Blockführer“ im KZ Sachsenhausen dem verbrecherischen Kommandanturstab angehörte, wie ich in der ARD sagte. Diese allgemeine

Schuld hat weder der Justiz in der BRD noch der in der DDR Handhabe gegeben, gegen B. gerichtlich vorzugehen: juristisch mußte die persönliche Tat des Angeschuldigten festgestellt werden, was im Falle Bärwald offensichtlich nicht möglich war.

Wenn der Spiegel und die ARD-Tagesthemen so oberflächlich recherchieren wie über Bärwald und Sachsenhausen, sind wohl Zweifel über deren Darstellung bezüglich der Stasi erlaubt.

Heinz Junge, Sachsenhausenkomitee der BRD, 44202 Dortmund

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.